Erstmals seit knapp einem Jahr ist wieder ein Abschiebeflug von Deutschland nach Afghanistan gestartet. Von Leipzig aus hob am Freitag eine Maschine aus Katar ab, wie Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) nach dem Start des Flugzeugs im ARD-„Morgenmagazin“ bestätigte. An Bord seien „schwere und schwerste Straftäter, die abgeschoben werden“.
Laut Bundesinnenministerium sollen im Rahmen der Aktion 81 afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland gebracht werden. Alle seien „vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Männer, die in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten sind“. Der Flug erfolge „unter Zuhilfenahme der strategischen Sicherheitspartnerschaft mit dem Emirat Katar“.
„Wir haben das in den vergangenen Wochen immer angekündigt, dass es einen Abschiebeflug und auch künftig Abschiebungen nach Afghanistan geben wird“, sagte Dobrindt im „Morgenmagazin“. „Das ist heute wahr geworden.“ Das sei in „einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Außenministerium, dem Innenministerium, dem Kanzleramt“ und unter Beteiligung von strategischen Partnern erfolgt.
Dobrindt zufolge gab es im Vorfeld Kontakte nach Afghanistan. Er sprach von „technischen Kontakten“ unterhalb von diplomatischen Beziehungen. Der Außenminister und er seien sich „vollkommen einig, wenn man Abschiebungen nach Afghanistan ermöglichen will, dann muss man auch Kontakte zu den Afghanen haben“. „Es geht vor allem darum, dass wir Deutschland sicherer machen und dafür sorgen, dass schwere und schwerste Straftäter abgeschoben werden“, sagte Dobrindt in der ARD.
In einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums erklärte er weiter, damit „beginnen wir, einen weiteren Teil des Politikwechsels aus dem Koalitionsvertrages umzusetzen". „Abschiebungen nach Afghanistan müssen auch zukünftig gesichert stattfinden können. Es gibt kein Aufenthaltsrecht für schwere Straftäter in unserem Land“, stellte er klar. Der zuvor letzte Abschiebeflug mit Straftätern nach Afghanistan hatte noch in der Zeit der Ampel-Regierung im Bund im August 2024 stattgefunden.
Scharfe Kritik an dem Abschiebeflug kam von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die menschenrechtliche Lage in Afghanistan sei „katastrophal“ und „außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter“ seien dort an der Tagesordnung. Niemand verdiene das, „auch nicht Straftäter“, erklärte die Amnesty-Generalsekretärin in Deutschland, Julia Duchrow. „Menschenrechte gelten entweder für alle Menschen, oder für niemanden.“
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sprach von einem „eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht“. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbiete Abschiebungen, wenn Folter oder unmenschliche Behandlung drohen, erklärte Wiebke Judith, die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl. In Afghanistan drohe den Abgeschobenen aber genau dies, weil dort „brutale Gewalt“ herrsche.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter kritisierte die Kontakte zwischen der Bundesregierung und der Taliban-Regierung in Afghanistan. Zwar könne es „erstmal richtig sein“, Straftäter des Landes zu verweisen. Es könne aber auch „noch sicherer sein, wenn so jemand im Gefängnis“ sitze, sagte Hofreiter zudem.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) teilte mit, von 81 ausgeflogenen Afghanen kämen 15 aus bayerischen Haftanstalten. Zu den von ihnen begangenen Straftaten zählten demnach Sexualstraftaten, Mord und Totschlagsdelikten sowie schwerere Körperverletzungs- und Eigentumsdelikte.
Aus Baden-Württemberg wurden nach Angaben der dortigen Landesregierung 13 Afghanen abgeschoben, die wegen Tötungs-, Körperverletzungs- und Betäubungsmitteldelikten sowie schwerer Brandstiftung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden waren.