Politik
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Die Islampolitik der neuen österreichischen Regierung
Ein rechtspopulistischer Kanzler wurde in Österreich abgewendet. Die Wahlverlierer konnten sich doch noch darauf einigen, ein Arbeitsprogramm vorzulegen. Wie sieht die Islampolitik der neuen Regierung aus?
Die Islampolitik der neuen österreichischen Regierung
27.02.2025, Österreich, Wien: Die österreichischen Parteivorsitzenden Christian Stocker von der Volkspartei (M, ÖVP), Andreas Babler von den Sozialdemokraten (l, SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger von den NEOS, sprechen auf einer Pressekonferenz, nachdem sie sich auf die Bildung einer Koalitionsregierung geeinigt haben. Foto: Heinz-Peter Bader/AP/dpa
2. März 2025

Nach etlichem Hin und Her ist es nun da: das Arbeitsprogramm der kommenden österreichischen Bundesregierung. Es trägt den Titel „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“ und drückt damit bereits aus, wie schwer es für die drei Parteien war, einen Konsens zu finden. Es ist das „Jetzt“ – die Tatsache, dass die rechtspopulistische FPÖ Wahlgewinnerin wurde – was die restlichen Parteien zusammengebracht hat. Das Regierungsprogramm reflektiert dementsprechend die unterschiedlichen Schwerpunkte der drei Parteien.

Geht es spezifisch um die Islampolitik, dann sehen wir eine klare Handschrift der christdemokratischen ÖVP, die seit 2011 die neue Islampolitik in der Zweiten Republik prägt. Die Islampolitik ist verflochten mit der Sicherheitspolitik, darunter insbesondere mit der Extremismus- und Terrorismusbekämpfung, sowie der Integrations-, Bildungs-, und Religionspolitik. Unter Führung der konservativen ÖVP hatten bereits zuvor sämtliche andere Koalitionspartner wie FPÖ und Grüne und nun auch SPÖ und liberale NEOS diese Islampolitik unterstützt. Wie erfolgreich die ÖVP hierbei ist, zeigt der Umstand, dass sich höchst umstrittene Kampfbegriffe wie „politischer Islam“ als selbstverständlich durchgesetzt haben.

„Politischen Islam“ als Straftatbestand

Dieser sogenannte politische Islam sei es, der „unsere Demokratie und unser Lebensmodell“ bedrohe, weshalb ihm mit „Null Toleranz“ entgegenzutreten sei. In diesem Sinne sei die Dokumentationsstelle Politischer Islam auch weiterzuentwickeln. Konkret ist dazu wenig im Regierungsprogramm zu lesen. Eine positive Veränderung ist das Einräumen eines parlamentarischen Interpellationsrechts gegenüber dem als staatlichen Fonds organisierten und damit bisher der demokratischen Kontrolle entzogenen Dokumentationsstelle Politischer Islam. Das scheint nicht unwichtig in Anbetracht der massiven Budgeterhöhung von anfangs einer halben Million auf mittlerweile mehr als 1,5 Millionen Euro.

Weniger optimistisch klingen dagegen die restlichen Neuerungen. Strafrechtliche Bestimmungen gegen den sogenannten politischen Islam sollen geschaffen und „ausgeweitet und verschärft“ werden. Vor dem Hintergrund der massiven Kritik von Strafrechtlern gegen das Einbringen des „politischen Islam“ als Straftatbestand erscheint dies besonders problematisch. Rechtliche Bestimmungen sollen ebenso im Verwaltungsstrafrecht „verschärft“ werden. So heißt es auch ausdrücklich im Regierungsprogramm, es solle eine „Ausweitung und Verschärfung der Tatbestände im Terrorismus- und Extremismusbereich“ unternommen werden.

Muslime als Täter, nicht als Opfer

Während der Begriff „Antisemitismus“ in dem Programm der neuen Regierung ganze 15 Mal vorkommt, findet Rassismus im Allgemeinen gerade zwei Mal Erwähnung. Die Regierung verschreibt sich dem Kampf gegen Antisemitismus und der Förderung jüdischen Lebens, insbesondere der „Stärkung und Weiterentwicklung der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“. Im Gegensatz dazu werden Muslime lediglich im Kontext des politischen Islams problematisiert. Kein Kampf dem antimuslimischen Rassismus.

Nicht einmal einer Einführung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus, wie ihn die Europäische Kommission fordert, kommt das säumige Österreich nach. Geschweige denn ein einziges Wort zur Bekämpfung von Islamophobie, wobei Österreich in Umfragen islamophober Einstellungen gemäß der Europäischen Grundrechteagentur an höchster Stelle rangiert. Das passt in das Bild, das das Regierungsprogramm zeichnet: Deradikalisierung, insbesondere im Online-Bereich, gilt es zu verbessern, aber eben nicht im Sinne von Muslimen als Opfer, sondern als Täter.

Gute Muslime, schlechte Muslime: Staatliche Kontrolle unter dem Deckmantel der Integration?

Muslime werden in dem Programm als zu integrierende und damit der Integration säumige Menschen dargestellt. Unter dem Deckmantel „Anti-Diskriminierung und Kampf gegen radikale Strömungen“ soll das Islamische Theologiestudium gestärkt werden, insbesondere mit Humanressourcen. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Imamen soll eine Kooperation zwischen staatlichen Behörden und der Islamischen Glaubensgemeinschaft unter den Grundsätzen „Unterstützung, Transparenz, Kontrolle“ forciert werden.

Dabei schlägt sich die Regierung wie immer auf die Seite der imaginierten guten Muslimen und legt fest, dass „Religionspädagogik (…) im Einklang mit Verfassung und Menschenrechten stehen und in deutscher Sprache sowie im Einklang mit unserem westlichen Lebensmodell (Europäischer Islam) unterrichtet werden“ müsse. In Kontinuität einer Stärkung des Staates gegenüber der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) solle eine „religionsunabhängige Schulaufsicht“ eingeführt werden. Auf Ebene der Schülerschaft sollen Deradikalisierungskonzepte für Schulen entworfen werden.

Wie bereits medial vorab diskutiert wurde, soll es einen weiteren Anlauf für ein Kopftuchverbot geben. Damit dieses nicht wieder vom Verfassungsgerichtshof gekippt wird, wurde explizit in das Regierungsprogramm geschrieben, dass „ein verfassungskonformes gesetzliches Kopftuchverbot erarbeitet“ werden soll. Zumindest das wird bei Muslimen auf Ablehnung stoßen.

In diesem Kampf der Bundesregierung für die Stabilisierung eines dominanten katholisch-konservativen Gesellschaftsentwurfs darf dann auch nicht die Förderung „unserer Fest- und Feiertagskultur (Nikolaus, Weihnachten, Ostern, Mutter- und Vatertag, Erntedankfest etc.) (…) in unseren Schulen und Kindergärten“ fehlen.

Religionsfreiheit unter Druck: Mehr Befugnisse bei Moschee-Schließungen

An der Schnittstelle von Sicherheits- und Religionspolitik werden ebenfalls Veränderungen im Geltungsbereich des Islamgesetzes und des Vereinsgesetzes angekündigt. Es sollen ab nun staatliche Behörden „im Rahmen einer Kooperationspflicht zur Vollziehung des § 6 (2) IslamG (insb. Kultusamt, BMF)“ mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft zusammenarbeiten. Damit wird das Ziel verfolgt, staatlichen Behörden größere Befugnisse bei der Schließung von muslimischen Einrichtungen einzuräumen. Der Religionsrechtler Richard Potz nannte dieses Vorgehen bereits in der Vergangenheit die „Mutation des Kultusamtes zu einer Polizeibehörde“.

In diesem Sinne ist auch eine „Verschärfung des Vereinsgesetzes“ zu interpretieren und die konkret genannte „Verschränkung des Vereins- und Kultusrechts bei Moschee-Schließungen. Wenn die Vereinsbehörde die Auflösung eines Moscheevereins beschließt, so führt dies zu einem Automatismus für die entsprechenden Moscheegemeinden und Fachvereine und vice versa“. So heißt es explizit im Regierungsprogramm. Das vertieft die bereits vorhandenen autoritären Strukturen im religionsrechtlichen Bereich.

Quo vadis?

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Regierungsabkommen der vermutlich kommenden Regierung im Hinblick auf die Islampolitik weitgehend in Kontinuität zu der von der ÖVP eingeführten Islampolitik steht. Die rechtlichen Reglementierungen, die so einige repressive Islampolitik-Vorstöße wie das Kopftuchverbot und Moscheenschließungen in der Vergangenheit an den Gerichten scheitern ließen, sollen neu geordnet werden, um nicht am Recht zu scheitern.

Ob dies gelingt, wird maßgeblich von der Reaktion antirassistischer und muslimischer zivilgesellschaftlicher AkteurInnen abhängig sein. Denn trotz eines geschätzten Anteils von beinahe neun Prozent sind die Muslime im Lande politisch schlecht aufgestellt. Darüber hinaus wird der bisherige Kurs der Domestizierung des willfährigen guten Muslims fortgesetzt – bei gleichzeitiger potentieller Ausweitung von repressiven Mechanismen via der Ausweitung des Sicherheitskonzeptes „politischer Islam“. Ergo: Auch ohne einen „Volkskanzler Kickl“ wird es aus Perspektive der Menschenrechte zahlreiche Herausforderung für MuslimInnen in Österreich geben.


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