Wir leben in einer Zeit, in der sich die Geschichte beschleunigt und globale Machtverhältnisse neu justiert werden. Die etablierten Konstanten im internationalen System geraten ins Wanken, der Einfluss traditioneller Akteure nimmt ab – während neue Kräfte an Bedeutung gewinnen. Inmitten dieses Wandels entfaltet Türkiye eine Außenpolitik, die nicht nur regional wirkt, sondern Türkiye selbst in das Zentrum der globalen politischen Architektur rückt. Ein Blick auf die Entwicklungen der vergangenen drei Jahre genügt, um zu erkennen: Türkiye ist auf dem Weg, eine diplomatische Supermacht zu werden.
Die Leerstelle der klassischen Machtzentren
Die Vereinigten Staaten – lange Zeit Hegemon der Nachkriegsordnung – sind durch innenpolitische Spaltungen und Interventionsmüdigkeit in ihrer globalen Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Die Europäische Union verliert in geopolitischen Krisen an Reaktionsgeschwindigkeit, geplagt von strategischer Unsicherheit und interner Zerrissenheit. Großbritannien ist nach dem Brexit mit sich selbst beschäftigt, Frankreich verliert global an Einfluss – insbesondere in Afrika.
Gleichzeitig intensiviert sich der Wettbewerb zwischen Russland und China mit dem Westen. Die multipolare Welt ist geprägt von neuen Spannungen: Der Ukraine-Krieg, die Taiwan-Frage, der Krieg in Gaza oder Bürgerkriege in Afrika – keine dieser Krisen lässt sich durch klassische Großmächte oder Institutionen wie den UN-Sicherheitsrat allein lösen.
Gerade deshalb wächst der Bedarf nach neuen, glaubwürdigen Vermittlern – Ländern wie Türkiye.
Türkiye: Ein Land, das diplomatische Lücken schließt
Dass Türkiye diese Rolle glaubwürdig und wirksam einnimmt, zeigen bereits wenige zentrale Beispiele der letzten Jahre. Besonders hervorzuheben ist das Engagement im Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine – ein diplomatischer Erfolg, der einer weltweiten Nahrungsmittelknappheit entgegenwirkte. Dank guter Beziehungen zu beiden Konfliktparteien gelang es Türkiye, Vertrauen aufzubauen und Bewegung in eine festgefahrene Situation zu bringen.
Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel ist der Gefangenenaustausch zwischen den USA und Russland am 1. August 2024. Bei diesem bislang größten Austausch seit dem Kalten Krieg wurden insgesamt 36 Personen freigelassen. Russland und Belarus entließen 16 Personen; die USA, Deutschland, Polen, Slowenien und Norwegen wiederum acht Gefangene sowie zwei Kinder. Türkiye nahm dabei keine Position ein, sondern stellte neutralen Boden für eine der komplexesten Austauschoperationen der diplomatischen Geschichte bereit – durchgeführt am Flughafen Ankara Esenboğa. Die Regierung in Ankara fungierte dabei als verlässlicher Vermittler zwischen den Blöcken.
Auch zwischen Somalia und Äthiopien, wo über Jahre hinweg Spannungen herrschten, konnte 2024 durch die Vermittlung von Türkiye ein Durchbruch erzielt werden. Die sogenannte Erklärung von Ankara war nicht nur für das Horn von Afrika ein Meilenstein, sondern wurde auch global als bedeutender diplomatischer Erfolg anerkannt.
Vergangene Woche trafen sich Vertreter der USA und Russlands in Istanbul zu einer zweiten Gesprächsrunde über den Betrieb ihrer Botschaften. Auch wenn diese Kontakte auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen mögen, unterstreicht allein die Tatsache, dass zwei Supermächte in Türkiye miteinander verhandeln, den diplomatischen Stellenwert Istanbuls als neutralem Verhandlungsort.
Zeitgleich fand in Antalya das Diplomatie-Forum statt. Die Veranstaltung hat sich innerhalb kürzester Zeit zu weit mehr als nur einer Konferenz entwickelt – sie ist ein globales Zentrum für Ideen, Strategien und Lösungen geworden. Über 20 Staats- und Regierungschefs, 74 Minister und fast 450 hochrangige Vertreter aus über 140 Ländern nahmen teil.
Warum ist Türkiye in der Lage, diese Rolle zu spielen?
Dass Türkiye heute als sichtbarer, effektiver und vertrauenswürdiger Akteur auf der globalen diplomatischen Bühne wahrgenommen wird, liegt nicht allein an ihrer geopolitischen Lage oder ihren institutionellen Kapazitäten. Eine zentrale Rolle spielt die persönliche Führung von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie die vertrauensvollen Beziehungen, die er im Laufe der Jahre zu Staats- und Regierungschefs weltweit aufgebaut hat. Erdoğan gehört zu den wenigen Politikern, denen es in den letzten zwei Jahrzehnten gelungen ist, einen direkten, offenen und auf gegenseitigem Respekt basierenden Dialog mit einer Vielzahl internationaler Akteure zu pflegen. Dieses Vertrauensverhältnis trägt maßgeblich dazu bei, dass Türkiye in internationalen Krisen als Vermittler, Moderator oder Lösungspartner bevorzugt wird.
Erdoğans Auftreten auf dem internationalen Parkett basiert auf persönlichem Vertrauen, Entschlossenheit und Verlässlichkeit – und reicht damit weit über die Konventionen klassischer Diplomatie hinaus. In bilateralen Kontakten begegnet er seinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe: ohne Überheblichkeit, ohne Druck, aber mit einer klaren Haltung in Bezug auf die nationalen Interessen von Türkiye. Gerade für Länder in Asien, Afrika oder Lateinamerika – viele von ihnen historisch von ungleichen Machtverhältnissen geprägt – ist dieser Ansatz von großer Bedeutung.
Der außenpolitische Leitgedanke Türkiye beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Nutzens, dem sogenannten „Win-Win“-Ansatz. Türkiye verfolgt keine überhebliche oder bevormundende Diplomatie, sondern setzt auf Partnerschaft und Gleichwertigkeit. Dieses Konzept findet nicht nur bei Großmächten Anklang, sondern auch bei kleinen Staaten, Transformationsländern und Regierungen instabiler Regionen. Türkiye zählt heute zu den wenigen Akteuren, die stabile Beziehungen zu Staaten unterschiedlichster Größe und Regierungsform pflegen können.
Dieser Erfolg beruht jedoch nicht nur auf Rhetorik, sondern auf einer strukturell fundierten außenpolitischen Architektur. Türkiye hat sich vom klassischen Blockdenken gelöst und eine eigenständige, flexible Diplomatie entwickelt. Als NATO-Mitglied pflegt Türkiye strategische Beziehungen zum Westen, kooperiert gleichzeitig eng mit Russland im Energiebereich, mit China im Handel sowie mit Afrika über humanitäre Diplomatie. Parallel dazu wird mit der Organisation der Turkstaaten eine identitätsbasierte regionale Zusammenarbeit gefördert. Diese Vielschichtigkeit macht Türkiye zu einer ausgleichenden Kraft – weit über das klassische Gegengewicht hinaus.
Darüber hinaus stärkt Türkiye ihre internationale Glaubwürdigkeit durch gezielte Soft-Power-Initiativen. Humanitäre Projekte von Organisationen wie TIKA (Türkische Agentur für Zusammenarbeit und Koordination), AFAD (Katastrophen- und Notfallmanagementpräsidium von Türkiye) oder Kızılay (Türkischer Roter Halbmond) schaffen nicht nur staatliche, sondern auch gesellschaftliche Verbindungen. Türkiye agiert damit nicht nur als glaubwürdiger Akteur vor Ort, sondern auch als legitimer Partner am Verhandlungstisch.
Nicht zuletzt hat Türkiye ihre diplomatische Kapazität durch strukturelle Reformen erheblich erweitert: die Umstrukturierung des Außenministeriums, der Ausbau des diplomatischen Netzwerks, die Einrichtung regionaler Koordinierungszentren sowie Formate wie das Antalya Diplomatie-Forum zeugen davon. Türkiye ist heute nicht nur Teilnehmer internationaler Prozesse – Türkiye gestaltet sie aktiv mit.
Die unter Präsident Erdoğan entwickelte, auf Vertrauen basierende, gleichberechtigte und multidimensionale Diplomatie hat Türkiye zu einem unverzichtbaren Akteur in den komplexen geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit gemacht.
Die Welt braucht Türkiye mehr denn je
Türkiye ist heute nicht nur Teil der Diplomatie – Türkiye definiert sie neu. In einer Zeit globaler Unsicherheiten, wachsender Instabilität und geopolitischer Verwerfungen ist Türkiye zu einem Zentrum der Weltpolitik geworden: als stabilisierende Kraft, als Dialogpartner und als Vertrauensanker.
Jedes Treffen in Ankara, jeder Kontakt in Istanbul, jede Idee aus Antalya ist heute nicht nur für Türkiye, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung.
Während die neuen Architekten der globalen Ordnung entworfen werden, ist Türkiye dabei nicht bloß eine tragende Säule – sondern das Fundament.