Donald Trump spricht gern von Freundschaft, besonders wenn es um historische Bande zwischen den USA und Europa geht. Doch in der Handelspolitik kennt er keine Freunde, sondern nur Gewinner und Verlierer. Mit der geplanten Verdoppelung der Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte sowie der Drohung, EU-Produkte generell mit einem 50-prozentigen Zoll zu belegen, verschärft Washington den wirtschaftlichen Konfrontationskurs. Dies geschieht auf Kosten Europas, auf Kosten Deutschlands und letztlich auf Kosten der Idee einer regelbasierten Weltwirtschaft.
Eine Zollpolitik voller Misstrauen
Die Rhetorik ist nicht neu, aber sie wird nun zur Realität. Zölle dienen als Drohmittel, wirtschaftlicher Druck ersetzt diplomatische Verhandlungen. Für Trump sind Handelsdefizite keine Folge komplexer globaler Lieferketten oder technologischer Wettbewerbsvorteile, sondern Ausdruck gezielter Benachteiligung Amerikas durch andere Länder. Deutschland, mit seinem chronischen Exportüberschuss, ist dabei ein bevorzugtes Ziel dieser Anschuldigungen.
Dass Deutschland im Jahr 2024 erneut wichtigster Handelspartner der USA wurde, mit einem Exportvolumen von über 160 Milliarden Euro, wird von der US-Regierung nicht als Erfolg gegenseitiger Beziehungen gesehen. Stattdessen gilt es als Beweis für ein Ungleichgewicht, das korrigiert werden müsse. Die geplanten Strafzölle gefährden diesen Austausch erheblich und drohen, den gesamten transatlantischen Wirtschaftsraum zu destabilisieren.
Industrie in Alarmbereitschaft
Die deutsche Aluminiumindustrie hat bereits mit Sorge auf die Ankündigung reagiert. Zwar gehen nur etwa zwei Prozent der deutschen Produktion direkt in die USA, doch die Auswirkungen reichen weit darüber hinaus. Denn wenn andere große Produzentenländer, etwa China oder Indien, durch US-Zölle vom amerikanischen Markt verdrängt werden, werden sie verstärkt versuchen, ihre Waren in Europa abzusetzen. Dies würde den bereits bestehenden Importdruck auf europäische Unternehmen erheblich erhöhen.
Besonders betroffen ist die stark exportorientierte deutsche Industrie, darunter der Maschinenbau, die Automobilbranche und die chemische Industrie. In Städten wie Wolfsburg, Ingolstadt oder Leverkusen hängen tausende Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Export in die Vereinigten Staaten ab. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft könnte der wirtschaftliche Schaden für Deutschland bis 2028 über 200 Milliarden Euro betragen. Wenn die Europäische Union mit Gegenzöllen reagiert, könnte sich der Schaden sogar noch deutlich erhöhen.
Zwischen China und den USA: Europa unter Druck
Trump richtet seine Maßnahmen nicht nur gegen Europa. Auch China ist Ziel neuer Sanktionen, etwa mit geplanten kumulierten Zöllen von über 80 Prozent. Gleichzeitig arbeitet der US-Senat an einem neuen Sanktionspaket, das Länder bestrafen soll, die weiterhin russisches Öl und Gas importieren. Die internationalen Handelsbeziehungen verwandeln sich zunehmend in ein geopolitisches Spannungsfeld, in dem Europa kaum noch als Akteur, sondern vielmehr als Adressat von Forderungen und Sanktionen erscheint.
Hinzu kommt der Druck in laufenden Verhandlungen. Die US-Regierung hat Handelspartner dazu aufgefordert, „ihr bestes Angebot“ vorzulegen. Betroffen sind unter anderem die Europäische Union, Japan und Indien. Währenddessen wurde bisher nur mit Großbritannien ein Handelsabkommen abgeschlossen. Die Botschaft ist eindeutig: Wer sich nicht fügt, muss mit Konsequenzen rechnen.
Der gefährliche Reiz des Protektionismus
Trumps wirtschaftlicher Nationalismus folgt einer simplen Logik. Mehr Produktion im Inland soll mehr Jobs und mehr Kontrolle bedeuten. Doch diese Logik blendet aus, dass die USA bei vielen Produkten von europäischen Lieferungen abhängig sind. Deutschland etwa liefert fast alle Spezialkräne, die auf amerikanischen Baustellen zum Einsatz kommen. Eine Verteuerung durch Zölle würde auch die US-Wirtschaft belasten.
Gleichzeitig versucht Washington, europäische Firmen durch steuerliche Vorteile, Deregulierung und das Versprechen auf Marktzugang in die USA zu locken. Schon unter der vorherigen Regierung verlagerten viele Unternehmen Teile ihrer Produktion dorthin. Nicht aus Überzeugung, sondern aus wirtschaftlicher Unsicherheit heraus. Die Folge ist eine zunehmende Erosion der industriellen Wertschöpfung in Europa.
Und Europa?
Während die US-Regierung offensiv agiert, ringt Europa um eine gemeinsame Antwort. Zwar hat die EU-Kommission signalisiert, auf Vergeltungszölle zunächst zu verzichten, doch eine strategische Linie fehlt weiterhin.
Ökonomen wie Carsten Brzeski fordern, Europa solle nicht in kurzfristige Zollschlachten verfallen. Vielmehr brauche es langfristige Investitionen, den Abbau bürokratischer Hürden, eine gemeinsame Kapitalmarktunion und eine eigenständige Industriepolitik. Auch Exportabgaben auf US-kritische Technologien wie Maschinen zur Chipproduktion werden diskutiert. Diese könnten strategischen Druck erzeugen, sind politisch jedoch schwer durchsetzbar.
Die sogenannte transatlantische Freundschaft steht wirtschaftlich auf dem Prüfstand. Trumps Zollpolitik ist nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung, sondern auch ein politisches Signal. Europa wird nicht mehr als Partner, sondern als Rivale gesehen. Wer in diesem Umfeld bestehen will, muss mehr tun als auf Dialog zu hoffen.
Europa braucht wirtschaftliche Souveränität, klare Prioritäten und politische Entschlossenheit. Nur wenn die Europäische Union als strategischer Akteur handelt, kann sie ihre Interessen wahren. In einer Welt, in der Kooperation durch Konfrontation ersetzt wird, zählt nicht nur die ökonomische Stärke, sondern auch der politische Wille, sie zu verteidigen.