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Worte als Widerstand: Gegen Islamophobie
Wer Islamophobie dokumentiert, wird kriminalisiert – und wer schweigt, bleibt unsichtbar. Zwischen Razzien und Jahresberichten kämpfen Europas Muslime um ihr Recht auf Anerkennung und Erinnerung.
Worte als Widerstand: Gegen Islamophobie
Worte als Widerstand: Gegen Islamophobie. / Foto: AP
20. Juni 2025

In einer Zeit grassierender Islamophobie haben sich in den letzten zehn Jahre unzählige Initiativen gegründet, die der Diskriminierung von MuslimInnen mit der Macht der Worte trotzen. Die Schicksale sind dabei sehr unterschiedlich. Von der Dokumentationsstelle antimuslimischer Rassismus, die ihren zehnten Bericht zu Österreich herausgebracht hat, bis hin zum Kollektiv Gegen Islamophobie in Europa, deren Häuser zuletzt von Razzien überzogen wurden.

Islamophobie anerkannt

Im Jahr 2022 haben die Vereinten Nationen den 15. März zum Tag gegen Islamophobie bestimmt. Die Resolution wurde von allen Mitgliedern der UN angenommen, wobei sich der 15. März auf den Tag des Attentats in Christchurch, Neuseeland, bezieht, an dem drei Jahre zuvor 51 Menschen in zwei Moscheen hingerichtet wurden.

Es war ein riesiger Schritt, dass es zu so einer Anerkennung kam, bedenkt man, dass nicht zuletzt das Attentat des Anders Behring Breivik in Norwegen zu 77 Toten geführt hatte und viele europäische Gesellschaften sich lange wehrten, dem Problem ins Auge zu blicken. Vor diesem Hintergrund besiegelt diese Resolution das steigende Bewusstsein, dass antimuslimischer Rassismus global ein Problem darstellt. Blickt man auf die Debatte in der Generalversammlung der UN zurück, sticht hervor, dass drei Akteure weniger zufrieden mit der Resolution waren: Indien aufgrund des nationalistischen Hindutva-Regimes, die führende Kraft institutionalisierter Islamophobie, Frankreich, und – die nicht stimmberechtigte – Europäische Union. Zugestimmt haben zuletzt jedoch alle.

Wachsende Anerkennung

Der wachsenden Anerkennung von Islamophobie als einem Problem, das von der Organisation Islamischer Konferenzen in die UN eingeführt wurde, gingen jahrzehntelange Anstrengungen aufseiten zivilgesellschaftlicher Organisationen und akademischer Stimmen voraus. Das geschriebene Wort als Zeugnis erhält aufseiten der Diskriminierten hier eine besondere Bedeutung. Kollektive, Allianzen und Nichtregierungsorganisationen wurden gegründet, um die kollektiven Erfahrungen von Diskriminierung zu dokumentieren, weil sie in ihren Gesellschaften totgeschwiegen und nicht anerkannt wurden.

Das Wort als Zeugnis: Dokumentation

In Deutschland hat CLAIM, die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, in ihrem soeben erschienenen Jahresbericht für das Kalenderjahr 2024 einen neuen Höchststand antimuslimischer Vorfälle gemeldet: 3080 Vorfälle dokumentierte diese im Vergleich zu 2023, wo nur 1926 Fälle verglichen wurden. CLAIM koordiniert seit Jahren bereits den jährlichen Tag gegen antimuslimischen Rassismus am 1. Juli, der von zivilgesellschaftlicher Seite genutzt wird, um auf die oft unsichtbaren Erfahrungen von MuslimInnen hinzuweisen.

In Österreich hat die Dokumentationsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus soeben ihren zehnten Bericht herausgegeben. Seit 2015 liefert sie tragbare Zahlen und informiert damit gesellschaftliche AkteurInnen. Sie registrierte 1.336 Fälle für das Jahr 2024 mit mehrheitlich weiblichen Opfern, wie es auch andere Berichte nahelegen. Nur in den Jahren 2023 und 2020 wurden mehr Fälle gemeldet.

Dabei ist zu bedenken, dass der Großteil an Fällen anti-muslimischer Hasskriminalität undokumentiert bleibt. Das zeigte nicht zuletzt die Grundrechteagentur der Europäischen Union (FRAU, Fundamental Rights Agency) in ihrem Bericht zur Lage der MuslimInnen in Europa. Darin heißt es, dass gerade einmal um die zehn Prozent der Befragten jemals einen Diskriminierungsfall meldeten. Der Grund: Mangelndes Vertrauen in die Institutionen und die Einschätzung, dass eine Meldung ohne Konsequenz bleibe. Insofern ist die Zunahme von dokumentierten Fällen teilweise als eine Steigerung der Fähigkeit der beobachtenden Stellen zu werten, die es schaffen, mehr Bewusstsein aufseiten der Diskriminierten zu schaffen und Menschen zu mobilisieren, ihrer Stimme Gewicht zu verleihen.

Das Wort brechen

In manchen Fällen wird die Dokumentation von antimuslimischem Rassismus auch direkt bekämpft. Das Beispiel der rassistischen Polizeioperation in Österreich namens Operation Luxor, in welcher die Kritik an antimuslimischem Rassismus zur Unterstützung von Terrorismus umgedeutet wurde, ist hier ebenso zu nennen wie die Auflösung der Nichtregierungsorganisation CCIF (Collective Contre L’Islamophobie de France) durch das französische Innenministerium mit der Begründung, dass das Ankreiden einer staatlichen Islamophobie zur Spaltung der Gesellschaft beitrage und als Terrorunterstützung zu deuten sei. Beides geschah im Herbst 2020.

Die Kritik an antimuslimischem Rassismus im Keim zu ersticken ist eines der Ziele immer autoritärer agierender Regierungen. Das Wort als Zeugnis gegen Ungerechtigkeit zum Schweigen zu bringen, steht dabei im Mittelpunkt. Sei es mittels Kriminalisierung des Wortes oder finanzieller Aushungerung zivilgesellschaftlicher Initiativen.

Auch dieses Jahr wurden elf Gründer der Nachfolgeorganisation von CCIF, CCIE (Collective Contre L’Islamophobie de France), nachdem diese einen Marsch im Andenken an den in einer Moschee in Frankreich ermordeten Aboubakar Cissé mitorganisierte, in einer Razzia vom Staat überfallen. Ein weiterer Akt überbordender staatlicher Gewalt. Auch CCIE hatte soeben einen Bericht über Islamophobie mit Fokus auf Frankreich veröffentlicht. Im Gegenzug dazu publizierte das französische Innenministerium einen Bericht, der wieder einmal die Verschwörungstheorie aufkochte, wonach die Kritik an Islamophobie ein Mittel des politischen Islams sei.

Angesichts des Widerstandes gegen das Aufzeigen von Islamophobie ist es wichtiger denn je, das Wort zu erheben, die Untaten festzuhalten und Zeugnis abzulegen.

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