Bei ihrem Parteitag ab Freitagnachmittag will die SPD das Debakel bei der Bundestagswahl aufarbeiten. Das dreitägige Treffen in Berlin soll die Weichen für die inhaltliche Neuausrichtung der Sozialdemokraten stellen und zumindest teilweise personell auch einen Neuanfang signalisieren.
Aufarbeitung der Bundestagswahl
Nur noch 16,4 Prozent der Wählerstimmen hat die SPD bei der Bundestagswahl im Februar bekommen. Es war das schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokratien seit Gründung der Bundesrepublik. Nach einigen Landesparteitagen und ersten Arbeiten in Arbeitsgruppen für eine Neuausrichtung soll der Parteitag nun Raum für Debatten über die Ursachen der Wahlniederlage schaffen und den Weg in die Zukunft weisen. Dazu legte der Parteivorstand einen Leitantrag mit dem Titel „Veränderung beginnt mit uns“ vor - das ist zugleich auch das Parteitagsmotto. Der Antrag soll am Freitagnachmittag diskutiert werden.
Schonungslose Analyse
„Die SPD hat substanziell Vertrauen verloren - inhaltlich, organisatorisch und kommunikativ“, heißt es in dem Leitantrag. „Die Sozialdemokratie wird von zu wenigen Menschen in unserem Land als politische Kraft mit Zukunftsversprechen wahrgenommen, die Sicherheit im Wandel bietet.“ Die Ursachen reichten „von fehlender strategischer Klarheit bis hin zu mangelnder Präsenz in den Lebenswelten vieler Menschen.“ Die abgewählte Bundesregierung unter SPD-Kanzler Olaf Scholz habe „weder kommunikativ noch politisch den Puls der Zeit getroffen“.
Vision 2027: Schlussfolgerungen erst später
„Ein ,Weiter so‘ kann und darf es nicht geben“, die Krise der Partei müsse zum „Wendepunkt“ werden, steht in dem Leitantrag. Bevor Schlussfolgerungen gezogen werden könnten, müssten aber erst die Ursachen für die Abkehr vieler Wählerinnen und Wähler genauer verstanden werden. Dazu wurde ein Prozess gestartet, zu dem unter anderem eine Kommission mit externen Expertinnen und Experten gehört. Endpunkt soll ein neues Grundsatzprogramm sein, das ein Parteitag 2027 - und damit zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl - beschließen soll.
Personell teilweise ein Neuanfang
In der Doppelspitze der Partei muss die nach der Wahl teilweise scharf kritisierte Parteilinke Saskia Esken ihren Posten räumen. Für sie soll Arbeitsministerin Bärbel Bas übernehmen. Im Amt bleibt aber Lars Klingbeil, der neben Esken die Partei seit Ende 2021 führte und damit genauso in der Verantwortung stand. Wie sich das in seinen Zustimmungswerten bei der Wiederwahl auswirkt, wird am Freitagabend klar sein. Offiziell gewählt werden soll dann auch der neue SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf.
Abschied von Scholz
Am Samstag will die Partei ihrem abgewählten Kanzler Olaf Scholz einen „würdigen Abschied“ bereiten. Ein Film soll sein Wirken für die Partei Revue passieren lassen. Scholz wird auch eine Rede halten. Als Abschiedsgeschenk bekommt Scholz ein Bild aus dem Willy-Brandt-Haus, das er sich selbst ausgesucht hat. Motiv: noch geheim.
Kontroverses Thema Außenpolitik
Seit gut zwei Wochen sorgt ein außenpolitisches „Manifest“ in der SPD für Aufregung, das von Parteilinken wie Ralf Stegner und Rolf Mützenich initiiert wurde. Die rund hundert Unterzeichner fordern eine grundsätzliche Umkehr in der Außen- und Sicherheitspolitik, kritisieren eine „militärische Alarmrhetorik“ und schlagen Gespräche mit Russland zur Beendigung des Ukraine-Kriegs vor.
Die Debatte darum könnte lebhaft werden. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat angekündigt, er werde beim Parteitag die direkte Auseinandersetzung mit den Manifest-Urhebern suchen. Die haben allerdings auf einen eigenen Beschlussantrag für den Parteitag verzichtet.
Neue Debatte um den Mindestlohn?
Direkt vor dem Parteitag will die Mindestlohnkommission ihren Beschluss bekannt geben. Die SPD fordert die Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 15 Euro. Beschließt das Gremium aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern diese nicht, droht beim Parteitag eine neue Debatte über einen politischen Beschluss für eine Erhöhung. Einen solchen gab es während der Ampel-Koalition, die jetzigen Koalitionspartner CDU und CSU lehnen dieses Vorgehen aber kategorisch ab.
Klare Kante gegen die AfD
Auf Vorschlag der SPD-Führung soll der Parteitag am Sonntag einen Antrag beschließen, der die Vorbereitung eines AfD-Verbotsverfahrens fordert. Die Partei wird darin als „klar rechtsextremistisch“ bezeichnet. Die Sozialdemokraten schlagen deshalb eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe vor, die mit der Sammlung von Materialien für ein Parteiverbot beginnt. Bei ausreichenden Belegen für eine Verfassungswidrigkeit der AfD müsse das Verfahren dann in Gang gesetzt werden. Gleichzeitig will die SPD aktiv nach Wegen suchen, zur AfD abgewanderte Wähler zurückzugewinnen.