Elon Musk wurde einst weltweit, insbesondere in Europa, als ein visionärer Technologe gefeiert. Mit seinen Elektroautos, Raumfahrtprojekten, Künstlicher Intelligenz und globalen Internetplänen galt er als eine Figur, die ihrer Zeit voraus war. In vielen europäischen Ländern, allen voran in Deutschland, galten Tesla-Modelle als Symbol für einen umweltbewussten und modernen Lebensstil. Doch dieses Image ist in den letzten Jahren erheblich ins Wanken geraten.
Musk’s offene Unterstützung für Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen 2024 stieß in Europa auf heftige Kritik. Während Musk der Trump-Kampagne erhebliche Geldmittel zur Verfügung stellte, verwandelte er zugleich die Plattform X in eine offene Bühne für konservative und rechtspopulistische Positionen. Diese Entwicklungen führten zu einem ernsthaften Bruch im europäischen öffentlichen Bewusstsein gegenüber Musk. Besonders in Deutschland verließen viele Nutzer die Plattform X, die Tesla-Verkäufe gingen zurück und zahlreiche Menschen begannen bewusst, sich von Produkten zu distanzieren, die mit Musk in Verbindung gebracht wurden.
Einer der Hauptgründe für diese Ablehnung war nicht nur seine Unterstützung für Trump, sondern auch seine Nähe zu rechtspopulistischen Bewegungen in Europa. In Deutschland wurden seine Sympathien für die AfD, sowie seine migrationskritischen Aussagen als Verstärkung der populistischen Welle gesehen. Parteien wie Marine Le Pen in Frankreich, Geert Wilders in den Niederlanden oder die FPÖ in Österreich profitierten zunehmend direkt von den Inhalten, die Musk über X verbreitete. Dies führte nicht nur zu einer wirtschaftlichen, sondern auch zu einer politischen und kulturellen Krise in Europa.
Bruch mit Trump und ein Rückzieher
Der Höhepunkt dieser Spannung wurde im Juni 2025 erreicht, als es zu einem heftigen öffentlichen Konflikt zwischen Musk und Trump kam. Musk bezeichnete Trumps neue Steuerreform als „widerliche Abscheulichkeit“. Es wurde prognostiziert, dass dieses Gesetz den US-Haushalt in den nächsten zehn Jahren mit zusätzlichen 2,4 Billionen Dollar belasten würde. Darüber hinaus veröffentlichte Musk einen Beitrag, in dem er Trump mit dem Skandal um Jeffrey Epstein in Verbindung brachte. Trump reagierte darauf mit der Erklärung, Musk sei „respektlos“ und erklärte die Beziehung für beendet.
Doch nur wenige Tage später machte Elon Musk einen Rückzieher. In einer Erklärung auf der Plattform X schrieb er: „Einige meiner Aussagen über Präsident Trump in der vergangenen Woche bedaure ich. Sie gingen zu weit.“ Trump nahm diese Entschuldigung positiv auf und erklärte öffentlich, dass er sie für eine nette Geste halte. Diese Entwicklung ließ vermuten, dass die Krise zwischen den beiden nur von kurzer Dauer war.
Musk’s Rückzieher war nicht nur politischer, sondern auch wirtschaftlicher Natur. Die Tesla-Aktien stiegen unmittelbar nach der Entschuldigung um 2,6 Prozent. Dieser Anstieg, kombiniert mit der Vorstellung des „Robotaxi“-Projekts am folgenden Tag, zeigte, dass Musk eine kalkulierte Strategie zur Imagekorrektur in der Öffentlichkeit verfolgte. Trump hingegen drohte mit der Streichung staatlicher Förderungen und Verträge für Musks Unternehmen. Auch wenn die von SpaceX durchgeführten NASA-Projekte technisch nicht abgebrochen werden können, sind solche Drohungen nicht ohne Auswirkungen auf die Märkte.
Abhängigkeit erkennen, Souveränität schaffen
Der Bruch zwischen Musk und Trump sorgte in Europa für eine kurzfristige Erleichterung. Viele europäische Kommentatoren werteten den Konflikt als ein Zeichen der Spaltung im rechtspopulistischen Lager. Doch diese Freude könnte verfrüht sein. Ein Blick auf die Vergangenheit der beiden zeigt, dass sie, wenn es ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen erfordern, schnell wieder zusammenfinden können. Beide handeln mit einem kaufmännischen Instinkt und zeigen sich pragmatisch, wenn es um Machtteilung geht. Daher ist es strategisch äußerst schwach, wenn Europa seine Hoffnung in solche persönlichen Konflikte setzt.
Europa muss an diesem Punkt eine radikale Entscheidung treffen. Die strukturelle Abhängigkeit von US-amerikanischen Technologieunternehmen betrifft nicht nur die Datensicherheit, sondern beeinflusst auch politische Entscheidungsprozesse. Die Plattformpolitik von Akteuren wie Musk hat ein breites Wirkungsspektrum, das von Wahlprozessen bis zur öffentlichen Meinungsbildung reicht.
Die Maßnahmen der Europäischen Kommission wie das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und die KI-Verordnung sind wichtig. Doch diese rechtlichen Rahmenbedingungen reichen nicht aus, solange Europa keine eigenen sozialen Netzwerke, Datenzentren und digitale Sicherheitsinfrastrukturen entwickelt. Digitale Souveränität ist längst nicht mehr nur ein wirtschaftliches Ziel, sondern eine Voraussetzung für demokratische Stabilität.
Wenn Tweets Strategien ersetzen
Europa muss in Fragen wie NATO, Energie, Sicherheit und Handel einen unabhängigeren und autonomeren Kurs einschlagen. Dass Persönlichkeiten wie Elon Musk politische Wirkung in Europa entfalten können, zeigt, wie sehr dieser Unabhängigkeitsprozess verschleppt wurde.
Die Krise zwischen Elon Musk und Donald Trump und die anschließenden Signale einer Versöhnung haben Europa erneut an eine grundlegende Wahrheit erinnert: Persönliche Konflikte in der globalen Politik sind vorübergehend, strukturelle Abhängigkeiten hingegen schaffen dauerhafte Risiken. Europa muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, anstatt sich nach jedem amerikanischen Konflikt auf ein „Zeitfenster der Entspannung“ zu verlassen.
Denn auch wenn eine Krise mit einem Tweet beginnt und mit einer Entschuldigung scheinbar endet, bleibt das eigentliche Problem nach wie vor bestehen.