Am 28. Februar 2025 fand im Weißen Haus ein Ereignis statt, das aufgrund seiner beispiellosen Natur in der modernen amerikanischen Diplomatie noch lange diskutiert werden wird. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der bis vor Kurzem in westlichen Hauptstädten als unerschütterlicher Anführer des Widerstands gefeiert wurde, traf im Oval Office auf eine völlig andere Atmosphäre. Was als diplomatisches Manöver gedacht war, entwickelte sich zu einem angespannten und kontroversen Austausch, in dem US-Präsident Donald Trump und Vizepräsident J.D. Vance den ukrainischen Präsidenten scharf kritisierten und unter Druck setzten.
Ein Konflikt, der lange vorher begann
Die Spannungen zwischen Trump und Selenskyj begannen bereits lange vor ihrem persönlichen Treffen. Anfang Februar hatte der amerikanische Präsident seinen ukrainischen Amtskollegen als „Diktator ohne Wahlen“ und „mäßig erfolgreichen Komiker“ bezeichnet, der „sich besser beeilen sollte, sonst wird er bald kein Land mehr haben.“ Diese Kommentare auf der Plattform Truth Social folgten auf Selenskyjs Vorwurf, Trump sei in einer russischen „Desinformationsblase“ gefangen.
Trump behauptete mehrfach, die Ukraine habe sagenhafte 350 Milliarden Dollar aus dem amerikanischen Haushalt aufgebraucht – eine Zahl, für die es keine Beweise gibt. Bis zum persönlichen Treffen der beiden Staatschefs hatte sich diese Rhetorik noch weiter verschärft.
Ein diplomatisches Fiasko live vor der Weltöffentlichkeit
Als die Kameras im Oval Office eingeschaltet wurden, wurde die Welt Zeuge eines wahren diplomatischen Debakels. Selenskyj versuchte zu erklären, warum ein einfacher Waffenstillstand nicht die Lösung sei:
„Wir brauchen mehr als nur einen Waffenstillstand. Wir brauchen nicht nur einen Waffenstillstand mit Russland – Putin hat ihn 25 Mal gebrochen, auch während Ihrer Amtszeit, Herr Präsident.“
Doch Trump blieb stur:
„Russland wird nicht in den Krieg zurückkehren wollen, niemand wird das wollen.“
Als der ukrainische Präsident erneut versuchte zu erklären, dass ein Waffenstillstand nicht ausreiche, fiel Trump ihm scharf ins Wort:
„Sagen Sie uns nicht, was wir fühlen werden. Wir versuchen, ein Problem zu lösen. Sagen Sie uns nicht, was wir fühlen werden. Sie sind nicht in der Position, uns zu diktieren, was wir fühlen sollen. Sie sind gerade nicht in einer guten Position. Sie haben derzeit keine Karten in der Hand… Sie spielen mit dem Dritten Weltkrieg. So wird es sehr schwer, Geschäfte zu machen. Sie sollten dankbarer sein.“
Vizepräsident Vance setzte den Druck fort. Er warf Selenskyj vor, sich gegenüber den Vereinigten Staaten und der Trump-Regierung „respektlos“ zu verhalten:
„Im Moment schicken Sie Rekruten an die Front, weil Sie Probleme mit der Truppenstärke haben. Sie sollten dem Präsidenten danken, dass er versucht, diesen Konflikt zu beenden… Bestreiten Sie, dass Sie Schwierigkeiten haben, neue Soldaten zu gewinnen?“
Trump warf Selenskyj Undankbarkeit vor:
„Sie sollten dankbarer sein, denn lassen Sie mich Ihnen sagen: Sie haben keine Karten in der Hand. Mit uns haben Sie sie. Aber ohne uns haben Sie keine einzige Karte.“
Als Selenskyj versuchte, die Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu erläutern, unterbrach ihn der US-Präsident erneut und bestand darauf, dass zuerst ein Abkommen geschlossen werden müsse, bevor Sicherheitsfragen überhaupt diskutiert werden könnten.
Karten als zentrales Verhandlungsmotiv
Die Metapher der „Karten“ zog sich durch das gesamte Gespräch. Trump wiederholte mehrfach:
„Sie sind nicht in einer guten Position. Sie haben momentan keine Karten. Mit uns bekommen Sie Karten.“
Darauf reagierte Selenskyj mit Würde:
„Ich spiele keine Karten.“
Dieser Austausch verdeutlichte die völlig unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Staatschefs. Für Trump ist es ein geopolitisches Spiel, eine Gelegenheit, einen „Deal“ zu machen – für Selenskyj geht es um das Überleben seines Landes.
Ein diplomatischer Tiefpunkt
Ein derartiger öffentlicher Eklat ist in der modernen Diplomatie beispiellos. Amerikanische Präsidenten haben traditionell verstanden, dass Diplomatie selbst in angespannten Momenten gewahrt bleiben muss – besonders bei öffentlichen Auftritten. Verbündete sollten immer die Bedeutung eines respektvollen Dialogs verstehen. Doch hier scheiterte alles: die Verhandlungen, die Diplomatie, der gesunde Menschenverstand, die Ethik und die Etikette.
Gegen Ende des Treffens erhob Trump globale Anschuldigungen gegen Selenskyj:
„Sie haben eine verdammt gute Chance, gut aus der Sache herauszukommen – wegen uns! … Sie waren nie allein. Sie waren nie allein… Wir haben Ihnen – durch diesen dummen Präsidenten – 350 Milliarden Dollar gegeben.“
Kurz darauf zogen sich Trump und Selenskyj zu einer nicht-öffentlichen Besprechung zurück.
Trumps Reaktion nach dem Treffen
Nach dem Gespräch veröffentlichte Trump eine Nachricht auf Truth Social, die den Eindruck eines gescheiterten Treffens noch verstärkte:
„Wir hatten heute ein sehr bedeutungsvolles Treffen im Weißen Haus. Es wurde vieles gelernt, das man nur unter solchem Feuer und Druck verstehen kann. Es ist erstaunlich, was durch Emotionen ans Licht kommt, und ich habe festgestellt, dass Präsident Selenskyj nicht bereit für Frieden ist, solange Amerika involviert ist, weil er glaubt, dass unsere Beteiligung ihm einen großen Vorteil in den Verhandlungen verschafft. Ich will keinen Vorteil, ich will FRIEDEN. Er hat die Vereinigten Staaten von Amerika im geschätzten Oval Office nicht respektiert. Er kann zurückkommen, wenn er bereit für Frieden ist.“
Selenskyj verlässt die USA mit leeren Händen
Damit verlässt Selenskyj die USA ohne neue Zusagen für militärische Hilfe, ohne Sicherheitsgarantien und mit einer bitteren Erkenntnis: Amerika ist nicht mehr der verlässliche Verbündete, den die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland erwartet hatte.
Was bedeutet das für die Ukraine?
Es ist offensichtlich, dass die amerikanische Unterstützung auf der Kippe steht. Ohne neue Waffenlieferungen aus den USA könnte die Ukraine das aktuelle Kampfgeschehen möglicherweise bis zum Ende des Sommers aufrechterhalten. Zwar hat das Land seine eigene Rüstungsproduktion erheblich gesteigert (rund 40 % der an der Front eingesetzten Waffen stammen inzwischen aus ukrainischer Produktion), und auch die europäische Rüstungsindustrie gewinnt an Dynamik. Doch ohne die Vereinigten Staaten wird es für Kiew fast unmöglich sein, kritische Waffensysteme wie Patriot-Luftabwehrraketen oder weitreichende ATACMS-Raketen zu ersetzen.
Europa allein kann die USA nicht vollständig kompensieren. Zwar hat die EU insgesamt mehr Hilfe bereitgestellt, einschließlich finanzieller und humanitärer Unterstützung (132,3 Milliarden Euro gegenüber 114,2 Milliarden Euro aus den USA), doch bei Schlüsselwaffen bleibt die Abhängigkeit von Washington bestehen.
Die Absage der geplanten gemeinsamen Pressekonferenz zwischen Trump und Selenskyj war der endgültige Schlusspunkt dieses diplomatischen Fiaskos. Für die Ukraine könnte dieser Tag einen Wendepunkt im Krieg markieren – den Beginn einer Ära, in der Kiew stärker auf sich selbst und europäische Partner angewiesen sein wird, während sich der einst mächtige transatlantische Verbündete zunehmend aus dem Konflikt zurückzieht und eine Deeskalation zu seinen eigenen Bedingungen anstrebt.