Vom Schwarzwald bis nach Bayern, von Niedersachsen bis nach Mecklenburg-Vorpommern: Tiny-House-Ferienparks finden sich inzwischen an allen Ecken Deutschlands. 33 Mini-Häuser zählt zum Beispiel ein Tiny‑House‑Village im Schwarzwald. Die Feriensiedlung in Löffingen* setzt auf die modulare Bauweise mit einer Fläche von 33 bis 50 qm pro Minihaus. Urlauben können hier nicht nur Singles und Paare, sondern auch Familien mit bis zu zwei Kindern. Weiter nördlich, an der Mecklenburgischen Seenplatte, findet man ebenfalls Tiny House Resorts, etwa in Neukrug, wo fünf rund 20 qm große Minihäuser Glamping mit Kaminecke und anderem Komfort versprechen.
Gegenbewegung zum klassischen Massentourismus
Ohne Frage: Tiny-House-Urlaub ist für viele zur bewussten Gegenbewegung zum klassischen Massentourismus geworden. Das jedenfalls bestätigt Julian Trautwein, Mitgründer und CEO des erfolgreichen Berliner Hospitality-Start-Ups Raus. Über 80 Tiny Häuser alias „Cabins“ hat sein Unternehmen seit Lancierung der Plattform in Deutschland und Österreich bereits aufgestellt, um die wachsende Nachfrage nach Tiny-House-Urlaub zu bedienen. „Wir haben mittlerweile eine Warteliste, weil die Nachfrage die Verfügbarkeit überschritten hat“, fügt Trautwein hinzu.
Das steigende, bundesweite Interesse führt er zum einen darauf zurück, dass diese Art des „sanften Tourismus” umweltfreundlicher ist. Einen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit im Tourismus, den er mitgestalten will. Zum anderen sei das Bedürfnis nach Rückzugsorten in der Natur während und nach der Pandemie deutlich gestiegen, beobachtet der Unternehmer: „Diese Entwicklung ist auch eine Reaktion auf anhaltenden urbanen Stress und die zunehmende Komplexität des Alltags“, betont er.
Wer ins Tiny House fährt, sucht also meist gezielt nach Entschleunigung, Naturverbundenheit und Einfachheit. „Tiny Houses erfüllen die Sehnsucht nach Reduktion und Klarheit, ohne auf Komfort verzichten zu müssen“, erklärt Trautwein weiter. Er ist überzeugt: Aus der Nische ist ein Trend geworden.
„Der Tiny-House-Tourismus hat zugenommen“
Das sieht auch Natalie Sochan so, Rechtsanwältin für Immobilienrecht in München. Sie hilft Tiny-Haus-Begeisterten mit ihrem selbstständigen Business Tiny University seit 2024 dabei, sich den Traum vom eigenen Tiny House zu verwirklichen, ob als Eigenheim oder Kapitalanlage. Ihr gebündeltes Knowhow präsentierte Sochan mit ihren Mitgründerinnen Ende Juni in sechs Themen-Workshops auf der NEW HOUSING, Leitmesse für Tiny Housing in Karlsruhe. „Tiny House Tourismus ist die absolute Zukunft“, ist die Ausstellerin überzeugt. Buchungszahlen auf Plattformen wie Airbnb zeigten das ganz deutlich.
Komplette Ferienparks und Resorts, die nur aus Tiny Houses bestehen, sind dabei nur eine von vielen möglichen Varianten der Tiny-Haus-Urlaubsvermietung. Andere Anbieter wie Raus oder Kuckuck vermieten ihre Tiny Häuser als einheitliche Serien mit gehobenem Qualitätsanspruch und Designstandards – jedoch an unterschiedlichen Standorten. Und dann wären da noch die privaten Grundstücksbesitzer, die ihre eigene Fläche mit einem Tiny House bestücken, um so durch die Ferienvermietung passives Einkommen zu generieren. Last, but not least: Auch Campingplätze statten sich immer häufiger mit permanenten Mini-Häusern aus.
Zielgruppe gesteckt: Naturtourismus mit Extra-Komfort
Die Gründe erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Den Betreibern geht es nicht nur darum, neuen Tourismus durch Modul-Häuser zu erschließen, vielmehr um einen ganzheitlichen Ansatz, der das menschliche Bedürfnis nach Naturverbundenheit in den Blick nimmt: „Wir wollen nicht einfach nur Unterkünfte vermieten“, stellt Trautwein klar: „sondern wertvolle Momente in der Natur zu schaffen – damit die Menschen sie wieder schätzen und schützen lernen und verstehen, welche zentrale Rolle sie im Kampf gegen den Klimawandel spielt.“ Entsprechend arbeite seine Vermietung mit Partnern aus der Landwirtschaft – vom Wandern mit Alpakas bis zum lokalen Gutshof. Extras wie Frühstück und Massagen rundeten das Angebot ab – damit der Wohlfühlfaktor auch beim Urlauben auf vergleichsweise kleiner Fläche stimmt.
Doch wer mietet sich eigentlich in die kleinen Lodges mitten in der Natur ein? „Die Zielgruppen sind so vielfältig wie die Tiny Houses selbst“, weiß Sochan von Tiny University und listet auf: Von jungen Paaren, Freunden und Familien, die dem Großstadtstress entfliehen möchten, bis zu Reisenden mit Hund, die eine flexible und naturnahe Unterkunft suchen, sei alles dabei. Auch digitale Nomaden und Menschen im Workation-Modus, die Arbeit und Auszeit verbinden wollen, mieten sich der Expertin zufolge gern im Tiny House ein. „Und natürlich Menschen, die sich für ein Lebem im Tiny House interessieren und vielleicht selbst mal bauen wollen. Sie wollen die Wohnform vor einer Investition oft erst einmal testen“, berichtet sie.
Der typische Tiny-Haus-Urlaubsgast – zwischen 25 und 45 Jahre alt
All diese Menschen suchen am Ende des Tages vor allem nach einem: Entschleunigung, Rückzug und teilweise digitalem Detox, fernab klassischer Hotelanlagen. Die Zeit im Tiny House wird genutzt, um Rad zu fahren, zu wandern oder für eine kreative Auszeit. Laut Trautwein ist der durchschnittliche Tiny-House-Feriengast zwischen 25 und 45 Jahre alt und stammt aus Metropolen wie Berlin oder Hamburg. Mittlerweile zählt sein Unternehmen jedoch auch immer häufiger Gäste aus Kleinstädten und vom Land. „Wir haben auch schon viele internationale Gäste begrüßt“, fährt er fort: „aus 22 europäischen Ländern und sogar aus Japan, Taiwan, den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko.“
Attraktiv für Flächenbesitzer auf dem Land
Anbieterseitig seien touristische Tiny-House-Projekte für unterschiedliche Gruppen interessant, weiß der Experte bei Raus: „Es gibt private Gastgeber, die durch Verpachtung ihrer ungenutzten Flächen zusätzliches Einkommen erzielen, als auch mit Kommunen, Forstbetriebe oder Landwirte.“ Als Anbieter sei ihm dabei wichtig, dass die bereitgestellte Fläche eine einzigartige Lage habe: mit idyllischer Aussicht, inmitten unberührter Natur oder in der Nähe schöner Höfe, umgeben von weitläufigen Wiesen, Feldern oder Wäldern. „Einfach Orte, die sich fernab vom Trubel befinden, aber trotzdem leicht erreichbar sind“, betont er – überzeugt, dass dies ein Erfolgsfaktor für nachhaltigen Tourismus und eine neue Wertschöpfung im ländlichen Raum ist.
Expertin Sochan hält Tiny Houses überdies für eine interessante Anlageform: „Im Vergleich zu klassischen Immobilien ist der Kapitaleinsatz deutlich geringer und das Risiko minimiert.“ Gerade in touristisch gefragten Gegenden ermöglichten gut organisierte Tiny House Objekte eine hohe Rendite. Auch Privatpersonen könnten auf diese Weise klein starten, sich ein Nebeneinkommen aufbauen und mit überschaubarem Aufwand in den touristischen Markt einsteigen und Kapital aufbauen.
Nicht günstiger als ein Hotel – aber nachhaltiger
Angesichts der Rentabilität kostet die Nacht im Tiny House als Urlaubsunterkunft inzwischen ähnlich viel wie ein einfaches Hotelzimmer - auch wenn die Preise nach Wochentag, Aufenthaltsdauer, Standort und Besonderheiten stark variieren können. Dabei gilt: Je außergewöhnlicher die Lage und je exklusiver die Gestaltung gestaltet ist, desto höher fällt der Preis aus. Beim Start-Up Raus werden Frühbucher und Kurzentschlossene teils bereits für rund 129 Euro pro Nacht fündig.
Günstiger ist der nachhaltige Tiny-House-Tourismus auf dem Land also nicht unbedingt. Was also steckt hinter dem Wunsch, temporär minimalistisch zu leben? Expertin Natalie Sochan hat darauf eine plausible Antwort: „Die Zeit im Tiny House ist wie eine Pause vom hektischen Alltag. Dahinter steckt oft der Wunsch, zur Ruhe zu kommen, das Nervensystem zu regulieren und die eigene Resilienz zu stärken.“ Als Gegenimpuls zur digitalen Reizüberflutung und ewigen To-Do-Listen böte das Tiny House in erster Linie Reduktion – und lade dazu ein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sich selbst zu spüren und wieder mehr im Hier und Jetzt zu sein.
„Es geht um Fokus und mentales Loslassen“
So scheint es, dass der Wunsch nach Minimalismus und bewusster Verbindung zur Natur weniger mit Verzicht, als vielmehr mit Fokus zu tun hat: den Fokus auf den Moment zu lenken – das, was wirklich zählt. „Minimalismus schafft Raum – nicht nur physisch, auch gedanklich“, weiß Trautwein: „Unsere Gäste erleben oft schon nach wenigen Stunden in der Natur den sehr positiven Effekt auf unser Nervensystem.“
Und noch zwei weitere Gründe gibt es, die zum Urlaub im Tiny House motivieren: „Das Angebot spricht zum einen Menschen an, die sich aktiv mit regionaler Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und bewusstem Konsum auseinandersetzen“, weiß Sochan: „denn es ist Ausdruck eines alternativen Lebensstils, ein Gegenentwurf zu Leistungsgesellschaft mit ihrem Credo „immer schneller, höher, weiter“.“
Was das mit Instagram-Romantik zu tun hat
Zum anderen spiele auch die Instagram-Romantik eine Rolle: Die Vorstellung von einem gemütlichen Tiny House mit Kamin, Sauna, Whirlpool und Naturblick sei eben auch für Social Media tauglich. Es fühle sich nicht nur gut an – sondern sei auch ästhetisch fürs Auge. Sochan hat selbst bereits einmal ein Tiny House als Ferienunterkunft gebucht: „Das war fantastisch“, empfiehlt sie allen, die etwas Besonderes erleben und zur Ruhe kommen möchten: „Die Kombination aus Natur, Rückzug, Einfachheit und Design schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Wer es ausprobiert, versteht schnell, warum sich so viele Menschen davon angezogen fühlen.“