Bundeskanzler Friedrich Merz sieht in den israelischen Angriffen auf den Iran anders als viele Juristen keinen Verstoß gegen das Völkerrecht. Er habe „an der Legitimität und auch an der völkerrechtlichen Legalität dessen, was Israel getan hat, heute keinen Zweifel“, sagte der CDU-Chef bei der Regierungsbefragung im Bundestag und positionierte sich damit deutlicher als bisher in dieser Frage.
Er betonte, dass die am 13. Juni gestarteten israelischen Luftangriffe auf iranische Atomanlagen, militärisches Führungspersonal und Atomphysiker juristisch nicht unbedingt als Präventivschlag gewertet werden müssten. Dies sei „nur eine von mehreren möglichen Annahmen“, sagte er.
Laut Gutachten „erhebliche Zweifel“ an Rechtmäßigkeit
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags hatten in einem Anfang Juli veröffentlichten Gutachten „erhebliche Zweifel“ an der Rechtmäßigkeit der israelischen und US-amerikanischen Angriffe auf den Iran geltend gemacht.
Die „ganz überwiegende Zahl der Völkerrechtler“ sehe die Kriterien für eine „Selbstverteidigungslage“ Israels nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen nicht als erfüllt an, heißt es in der 54-seitigen Expertise, die vom Linken-Abgeordneten Ulrich Thoden in Auftrag gegeben wurde, der auch die Frage an Merz im Bundestag stellte.
Israel hätte nach Ansicht der Wissenschaftler beweisen müssen, dass der Iran unmittelbar vor dem Bau einer Atomwaffe stand. Außerdem hätte dargelegt werden müssen, dass der Iran die feste Absicht hatte, eine solche Waffe gegen Israel einzusetzen und dass die Militäroperation „Rising Lion“ wirklich die letzte Gelegenheit war, den Bau der Atombombe zu verhindern. All dies sei „nach dem nahezu einhelligen Urteil der Völkerrechtslehre“ nicht hinreichend geschehen.
Bundesregierung betonte bisher nur „Selbstverteidigungsrecht“
Die Bundesregierung hatte zu der Frage der Völkerrechtsmäßigkeit der israelischen Angriffe bisher nur gesagt, dass Israel ein „Selbstverteidigungsrecht“ habe. Merz hatte sich kurz nach dem Kriegseintritt der USA klar hinter die Luftangriffe gestellt, aber ebenfalls ohne ganz konkret auf die Frage der Rechtmäßigkeit einzugehen. „Es gibt für uns und auch für mich persönlich keinen Grund, das zu kritisieren, was Israel vor einer Woche begonnen hat, und keinen Grund, das zu kritisieren, was Amerika am vergangenen Wochenende getan hat.“
Zuvor hatte Merz internationale Kritik geerntet, nachdem er in einem ZDF-Interview mit Blick auf Israels Großangriff auf den Iran das Wort „Drecksarbeit“ benutzt hatte. „Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut dazu gehabt hat, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen“, hatte er hinzugefügt.
Israel hatte am 13. Juni einen Angriffskrieg gegen den Iran gestartet und mehrere Orte attackiert, darunter militärische und nukleare Anlagen. Als Begründung führte die israelische Regierung den Vorwurf an, Teheran arbeite an einem Atomprogramm. Der Iran wies die Behauptungen zurück und reagierte mit Gegenangriffen. Es folgten zwölf Tage der Eskalation, die in US-Luftschlägen auf drei zentrale Atomanlagen im Iran gipfelte. Nach Angaben iranischer Behörden wurden in dem Konflikt insgesamt mehr als 600 Menschen im Iran getötet, darunter viele Zivilisten. Der von US-Präsident Trump verkündete Waffenstillstand trat am 25. Juni in Kraft.