Türkiye
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Öcalans Aufruf ist das Ergebnis einer Doppelstrategie Ankaras
Öcalans Aufruf zur Niederlegung der Waffen verdeutlicht den Erfolg der türkischen Doppelstrategie im Kampf gegen die Terrorgruppe PKK. Trotz westlicher Einwände ist Türkiye seiner Linie treu geblieben. Die Strategie Ankaras trägt nun Früchte.
Öcalans Aufruf ist das Ergebnis einer Doppelstrategie Ankaras
Türkische Kampfdrohnen vom Typ Bayraktar TB 2
3. März 2025

Um die Erklärung, die der Terroristenführer Abdullah Öcalan in einem Brief an eine Delegation der DEM-Partei übermittelte und die anschließend in einer Pressekonferenz in Istanbul vorgestellt wurde, richtig einzuordnen, müssen zwei wichtige Entwicklungen betrachtet werden. Zunächst gab es den Appell vom MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli, der am 22. Oktober des vergangenen Jahres für ein „terrorfreies“ Türkiye eintrat. Bahçeli schlug vor, dass Öcalan vor der DEM-Parlamentsgruppe auftritt, um dort die Auflösung der PKK bekanntzugeben. Die Idee wurde später vom türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan aufgegriffen, wenn auch anders umgesetzt.

In seiner Erklärung bezieht sich der Anführer der Terrororganisation auf diesen Aufruf und die Reaktionen darauf. Er hebt hervor, dass die Entschlossenheit von Erdoğan und die positiven Reaktionen anderer Parteien ein Klima für Veränderungen geschaffen hätten. Vor diesem Hintergrund ruft er seine Anhänger nun zu einem einseitigen Waffenstillstand auf. Öcalans Erklärung ist daher nicht nur ein Zeichen seiner Bereitschaft zum Frieden, sondern auch ein Hinweis darauf, wie sich die politische Haltung in Türkiye in Bezug auf den PKK-Konflikt verändert hat.

Militäroperationen zwingen PKK zur Niederlegung der Waffen

Bahçelis Vorstoß muss im Zusammenhang mit der parallel stattfindenden und überaus erfolgreichen militärischen Strategie Ankaras betrachtet werden. Diese lang angelegte Strategie verfolgte in der ersten Phase das Ziel, die verbleibenden PKK-Terroristen auf türkischem Boden zu „neutralisieren“. Diese Strategie wurde entschieden umgesetzt. 

In einem weiteren Schritt richteten sich die militärischen Operationen auf den Einfluss der PKK-Ableger im Norden Syriens und im Irak. Diese sahen ebenfalls ihr Ende kommen und fürchteten eine konsequente Fortsetzung der türkischen Militäroperationen. 

Öcalans Erklärung ist eine Reaktion auf diese Entwicklungen. Sie spiegelt sowohl das Eingeständnis einer unwiderrufbaren Niederlage seines Terrornetzwerks wider als auch die Erkenntnis, dass im Südosten von Türkiye die Bevölkerung nur eines will: ein Leben ohne PKK-Terror. Besonders symbolträchtig ist in diesem Zusammenhang der Widerstand der Mütter aus Diyarbakır, die seit Jahren um die Rückkehr ihrer von der PKK entführten Kinder kämpfen. 

PKK in Europa: Eine latente Gefahr für die türkische Diaspora

Seit den ersten PKK-Anschlägen gegen türkische Sicherheitskräfte im Jahr 1984 bis zum jüngsten Angriff im Oktober 2024 in Ankara, bei dem fünf Menschen getötet wurden, hat die PKK für mehr als 40.000 Todesopfer gesorgt. Unter den Opfern sind auch Zivilisten – Kinder, Frauen und ältere Menschen. 

Jedoch existiert auch ein Sympathisanten-Umfeld der PKK, das nicht unbedingt aktiv zur Waffe greift, sich aber von den Zielen und der Ideologie der PKK angezogen fühlt. Diese latente Bedrohung ist seit Jahren nicht nur in Türkiye, sondern auch international spürbar. Ein Beispiel hierfür ist der Vorfall in Belgien im März 2024, bei dem PKK-Anhänger türkische Einwohner in Leuven angriffen. Mit solchen Taten sollen türkischstämmige Bürger im Ausland eingeschüchtert werden.

Es handelt sich bei den PKK-Aktivitäten im Ausland nicht nur um direkte Gewaltakte, sondern auch um systematische Schutzgelderpressung, besonders betroffen sind kurdische und türkische Betriebe. Darüber hinaus werden junge Menschen mit falschen Versprechungen für den bewaffneten Kampf angeworben oder zwangsrekrutiert.

Diese Art der Gewalt und Einschüchterung stellt eine anhaltende Gefahr für die Sicherheit von türkischstämmigen Staatsbürgern sowohl im Inland als auch im Ausland dar. Sie verdeutlicht zudem die tief verwurzelten kriminellen Strukturen der PKK, die sich über Jahre hinweg im In- und Ausland ausgedehnt haben.

Die PKK wurde viele Jahre in vielen Teilen der Welt als ein Problem von Türkiye isoliert betrachtet oder sogar offen toleriert. Besonders in Europa, wo viele PKK-Sympathisanten Zuflucht fanden, wurden diese häufig als „revolutionäre Freiheitskämpfer“ betrachtet. Diese Idealisierung erleichterte es der PKK, ihre Finanzierungsnetzwerke zu etablieren, mit denen sie illegale Aktivitäten wie Geldwäsche betrieb. Dieses Geld diente dann für Terror- und Propagandazwecke.

Fragwürdige Wahrnehmung der PKK im deutschsprachigen Raum

Besonders verwunderlich ist, dass auch nach der Veröffentlichung des Briefs vom Terroristenführer keine signifikante Änderung in der Wahrnehmung und Haltung gegenüber der PKK in weiten Teilen der europäischen Öffentlichkeit erkennbar war. Ein Beispiel hierfür ist die Berichterstattung der Kronen Zeitung in Österreich, die Öcalans Aufruf zur Beendigung des bewaffneten Kampfes als „Forderung der Kampfgenossen“ darstellt. 

Der Begriff „Kampfgenosse“ lässt den Eindruck entstehen, als ob der bewaffnete Kampf gegen den türkischen Staat legitim und gerechtfertigt wäre. In der gleichen Berichterstattung wird zwar auf die 40.000 Todesopfer des Konflikts hingewiesen, jedoch ohne zu erwähnen, dass diese Opfer direkte Folge des PKK-Terrors sind. Diese einseitige Darstellung verschleiert die Verantwortung der PKK und ihrer Führung und zeigt auf, wie tief verwurzelt und problematisch die Sympathien und Fehleinschätzungen in bestimmten Teilen der europäischen Öffentlichkeit gegenüber dieser terroristischen Organisation sind.

Doch diametral zur Wahrnehmung stehen Einschätzungen von Behörden zum Gefahrenpotenzial der Terrorgruppe PKK. Im Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND) aus dem Jahr 2022 etwa wird die Bedrohung, die von in Deutschland ansässigen PKK-Anhängern ausgeht, dokumentiert. Rund 14.500 Personen sind demnach in dieses Milieu involviert. Der Bericht unterstreicht, dass die PKK auch im Ausland aktiv ist. Diese Erkenntnisse wurden jedoch in der Berichterstattung der deutschen Leitmedien größtenteils ausgeblendet oder nur minimal thematisiert.

Ankaras Strategie geht auf

In Reaktion auf den Aufruf des Anführers der Terrororganisation zur Waffenruhe äußerte Efkan Ala, stellvertretender Vorsitzender der regierenden AK-Partei, eine klare Position: „Wenn die Terrororganisation diesen Aufruf beherzigt, ihre Waffen niederlegt und sich auflöst, wird sie Türkiye von seinen Fesseln befreien.“ Diese Aussage verdeutlicht das strategische Kalkül Ankaras. Die türkische Regierung hat offenbar eine Doppelstrategie verfolgt, bei der der militärische Druck auf die PKK mit politischen Initiativen kombiniert wurde. Diese Strategie trägt nun ihre Früchte, wenngleich die vergangenen Anti-Terror-Operationen Ankaras im In- und Ausland vom Westen teils heftig kritisiert wurden.


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