TÜRKİYE
4 Min. Lesezeit
Türkiye als Brückenbauer
Zwischen Kriegsparteien, Atomverhandlungen und strategischen Waffenentscheidungen zeigt Türkiye, dass kluge Diplomatie selbst in Zeiten globaler Spannungen Wirkung entfalten kann.
Türkiye als Brückenbauer
Das Eurofighter-Kampfflugzeug wird gemeinsam von Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien hergestellt. / Foto: Reuters
25. Juli 2025

Nach jahrelanger Zurückhaltung erlaubt Deutschland nun die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets an Türkiye. Damit hebt die Bundesregierung ihren bisher geltenden Widerstand gegen einen britischen Export des gemeinsamen Rüstungsprojekts auf. Diese Entscheidung ist weit mehr als eine technische Freigabe – sie markiert einen strategischen Wendepunkt in den deutsch-türkischen Beziehungen.

In Berlin reift offenbar die Erkenntnis, dass Türkiye nicht nur ein NATO-Partner ist, sondern auch ein unverzichtbarer sicherheitspolitischer Akteur an den Rändern Europas. Vom östlichen Mittelmeer über den Nahen Osten bis zum Schwarzen Meer spielt Türkiye eine zentrale Rolle in der Stabilität der Region. Die Entscheidung zur Eurofighter-Freigabe ist ein Zeichen wachsender strategischer Vernunft. Es ist ein Schritt weg von symbolischer Moralpolitik hin zu einer pragmatischen Partnerschaft auf Augenhöhe.

Während insbesondere von Seiten der Grünen Kritik an der Exportpolitik laut wird, zeigt sich zugleich, dass sicherheitspolitische Partnerschaften in einer multipolaren Weltordnung wieder an Bedeutung gewinnen. Die Lieferung der Eurofighter an Türkiye stärkt nicht nur die Verteidigungsfähigkeit eines NATO-Partners, sondern auch das sicherheitspolitische Vertrauen zwischen Berlin, London und Ankara.

Diplomatie in Bewegung: Istanbul ist zur Bühne für Friedensgespräche

Während Berlin in der Rüstungspolitik neue Wege beschreitet, zeigt sich auch die wachsende diplomatische Relevanz Türkiyes. In Istanbul hat in dieser Woche bereits zum dritten Mal ein Treffen zwischen russischen und ukrainischen Delegationen stattgefunden – ein bemerkenswerter Erfolg angesichts der andauernden Kriegslage. Bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hatte Türkiye es geschafft, beide Seiten im März desselben Jahres in Antalya und später in Istanbul an einen Tisch zu bringen.

Außenminister Hakan Fidan betont, dass Türkiye seit dem ersten Kriegstag unermüdlich an einer diplomatischen Lösung arbeitet. „Unser Ziel ist ein Weg zum Frieden – durch einen stabilen Waffenstillstand“, so Fidan. Die Gespräche vom 16. Mai und 2. Juni in Istanbul haben gezeigt, dass Türkiye nicht nur moderieren, sondern auch Vertrauen zwischen tief verfeindeten Akteuren aufbauen kann. Die internationale Gemeinschaft nimmt diese Rolle zunehmend zur Kenntnis – auch wenn sie oft unterschätzt wird.

Dass gerade Türkiye Gastgeber dieser Gespräche ist, ist kein Zufall. Ankara verfolgt seit Jahren eine aktive Vermittlerrolle in Konflikten – sei es zwischen Russland und der Ukraine, zwischen Armenien und Aserbaidschan oder im Nahen Osten. Diese gelebte Diplomatie macht Türkiye zu einem Zentrum globaler Gesprächsformate, jenseits westlich geprägter Strukturen.

Iran-Gespräche in Istanbul

Ein weiteres diplomatisches Signal sendet der Westen mit einem hochrangigen Treffen am Freitag in Istanbul: Vertreter der E3-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien kommen dort mit iranischen Diplomaten zu neuen Verhandlungen über das Atomprogramm zusammen. Es ist das erste formelle Treffen seit dem jüngsten Waffenstillstand im Iran und folgt mehreren Monaten indirekter Gespräche zwischen Teheran und Washington.

Dass Istanbul als Ort für diese Gespräche gewählt wurde, unterstreicht einmal mehr die geopolitische Schlüsselrolle Türkiyes. In einer Zeit, in der traditionelle diplomatische Kanäle zunehmend blockiert oder dysfunktional sind, bietet Türkiye ein funktionierendes Forum – mit Zugang zu Ost und West, zu NATO und Nahost, zu Islamischer Welt und westlicher Staatengemeinschaft.

Für Deutschland, das an einer eigenständigen europäischen Außenpolitik interessiert ist, eröffnet sich damit eine neue Chance. Die Kooperation mit Türkiye darf nicht nur auf Migrationsfragen oder bilaterale Wirtschaftsinteressen reduziert werden. Wer Türkiye allein als Problemverwalter an Europas Außengrenzen betrachtet, verkennt ihr geopolitisches Potenzial. Die Eurofighter-Entscheidung kann, wenn sie richtig begleitet und strategisch eingebettet wird, der Auftakt für eine neue außenpolitische Ausrichtung sein.

Eine neue Vertrauensbasis entsteht

Mit der Genehmigung der Eurofighter-Lieferung, dem diplomatischen Engagement in der Ukraine-Frage und den Iran-Gesprächen in Istanbul deutet vieles auf einen Neubeginn zwischen Berlin und Ankara hin. In einer Welt, in der neue Allianzen und Realitäten entstehen, brauchen Deutschland und Türkiye ein neues Fundament für Zusammenarbeit. Diese sollte nicht paternalistisch, sondern partnerschaftlich sein. Sie sollte nicht von Misstrauen, sondern von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein.

Wirf einen Blick auf TRT Global. Teile uns deine Meinung mit!
Contact us