WIRTSCHAFT
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Klimaschutz trifft Wirtschaft: Türkiye rüstet sich für den EU-Klimazoll
Mit dem neuen Klimagesetz bereitet sich Türkiye auf den EU-CO₂-Grenzausgleich (CBAM) vor – und schützt so seine Exportwirtschaft vor hohen Zusatzkosten. Ein Schritt, der Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit zusammenbringt.
Klimaschutz trifft Wirtschaft: Türkiye rüstet sich für den EU-Klimazoll
Klimaschutz trifft Wirtschaft: Türkiye rüstet sich für den EU-Klimazoll. / Foto: Getty Images
23. Juli 2025

Die finanziellen Verpflichtungen des EU-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), der sechs exportrelevante Sektoren – Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Strom und Wasserstoff – betrifft, treten am 1. Januar 2026 in Kraft. Um die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen türkischen Industriezweige zu sichern, war dieses Gesetz notwendig.

Mit dem neuen Klimagesetz, das Anfang Juli in Kraft getreten ist, hat Türkiye einen bedeutsamen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft gemacht. Ziel ist es, bis 2053 klimaneutral zu werden – ein ehrgeiziges, aber erreichbares Vorhaben. Das Gesetz bildet einen rechtlichen Rahmen für den Aufbau eines Emissionshandelssystems (EHS) und bereitet den Boden für die Anpassung an den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der Europäischen Union.

Das Gesetz enthält wichtige Ansätze zum Schutz der Biodiversität, zur Entwicklung klimaresilienter Städte sowie zur Förderung umweltfreundlicher Landwirtschaft. Zwar fehlt ein verbindlicher Emissionsreduktionsplan, doch die Richtung stimmt: Es geht darum, Klimapolitik mit wirtschaftlicher Erneuerung zu verbinden und die Transformation sozial gerecht zu gestalten.

Warum ist ein Emissionshandelssystem für Türkiye unverzichtbar?

Wenn der CO₂-Ausstoß der in die EU exportierten Produkte in den sechs relevanten Sektoren in Türkiye gemessen und besteuert wird, entstehen für türkische Exporteure an der EU-Grenze keine zusätzlichen Belastungen. Ohne ein nationales Emissionshandelssystem (EHS) müssten jedoch Emissionsabgaben pro ausgestoßener Tonne CO₂ direkt an der EU-Grenze entrichtet werden. Genau deshalb war es für Türkiye essenziell, sein eigenes EHS zügig zu etablieren.

Ab 2026 werden europäische Unternehmen bei der Auswahl ihrer Lieferanten verstärkt auf den CO₂-Fußabdruck achten – sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Türkische Firmen, die Emissionen transparent erfassen und dafür Steuern entrichten, verschaffen sich somit einen klaren Vorteil auf dem EU-Markt. Für Türkiye, dessen Exporte zu 40 Prozent in die EU gehen, war das neue Klimagesetz daher nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich zwingend notwendig.

Die EU betreibt ihr Emissionshandelssystem bereits seit 2005 und verfeinert es kontinuierlich. Ein EHS nach europäischem Vorbild bietet von Türkiye die Chance, von fast zwei Jahrzehnten EU-Erfahrung zu profitieren – ohne die gleichen Fehler wiederholen zu müssen.

Seit Oktober 2023 misst Türkiye die Emissionen in den betroffenen Sektoren – Stahl, Aluminium, Zement und Düngemittel – und berichtet diese quartalsmäßig. Der nächste Schritt ist nun die Festlegung verbindlicher Emissionsobergrenzen und deren gerechte Verteilung. Dabei wird es entscheidend sein, die Zielvorgabe zur Emissionsreduktion in den Mittelpunkt zu stellen: Unternehmen müssen durch ambitionierte Grenzwerte konkret zur Reduktion verpflichtet werden. All dies sind erste, aber zentrale Schritte auf dem Weg zum nationalen Klimaziel der Netto-Null-Emissionen bis 2053.

Unmittelbar nach der Verabschiedung des Klimagesetzes – also in dieser Woche – wurde auch der Entwurf der Verordnung zum Emissionshandelssystem von Türkiye veröffentlicht. Bis zum 4. August werden Stellungnahmen von den relevanten Akteuren eingeholt. Dieser Schritt zeigt, dass es nun einen klaren Zeitplan gibt und die Ministerien mit unverminderter Geschwindigkeit an der Umsetzung arbeiten.

Türkische Industrie im Wandel

Das Gesetz geht über technischen Klimaschutz hinaus: Es ist Ausdruck einer neuen Wirtschaftsstrategie. Unternehmen, die keine jährlichen Emissionsberichte vorlegen, drohen hohe Strafen. Das signalisiert Verbindlichkeit und sorgt für mehr Transparenz im Industriesektor.

Besonders hervorzuheben ist die Rolle der lokalen Verwaltung. Bis Ende 2027 müssen in allen Provinzen unter der Leitung der Gouverneure regionale Klimapläne erstellt werden. Diese Dezentralisierung macht Klimapolitik greifbarer und stärkt die Eigenverantwortung der Regionen. Dadurch werden regionale Besonderheiten berücksichtigt, etwa bei Wassermangel, landwirtschaftlicher Produktion oder urbanem Wachstum.

Das Gesetz fördert gezielt Zukunftstechnologien: CO2-Abscheidung, Wasserstoffproduktion und erneuerbare Energien erhalten staatliche Unterstützung. Darüber hinaus sollen Umwelt- und Klimathemen fest im Bildungssystem verankert werden – ein strategischer Schritt, um langfristig eine klimabewusste Generation aufzubauen.

Nächste Schritte und Herausforderungen

Manche NGOs wünschen sich stärkere Regelungen für Landwirtschaft, Wasserressourcen und biologische Vielfalt. Auch ein klarer Zeitplan für den Ausstieg aus fossilen Energien fehlt bislang. Artikel 5 nennt jedoch bereits konkrete Maßnahmen zur Emissionsreduktion und weist auf den Übergang zu erneuerbaren Energien hin.

Zentral ist auch die Kommunikation. Nur wenn die Bevölkerung über Inhalte, Ziele und Chancen informiert ist, kann eine breite Unterstützung entstehen.

Die Umsetzung des Klimagesetzes steht vor mehreren Herausforderungen: Die gerechte Festlegung und Verteilung von Emissionskontingenten, strenge und faire Kontrollen sowie die Festsetzung ausgewogener Emissionsreduktionsziele sind entscheidend. Ebenso wichtig ist die korrekte Information der Öffentlichkeit und die Bekämpfung von Desinformationen, um gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern.

Ein Gesetz mit Perspektive

Die Klimakrise erfordert gezielte Maßnahmen. Das neue Klimagesetz legt dafür eine solide Grundlage, indem es ökologische Ziele mit wirtschaftlichen Interessen verknüpft. Es bietet eine Basis für Fortschritte, die durch die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft weiterentwickelt werden können. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie Türkiye diese Möglichkeit nutzt, um eine nachhaltige und resiliente Zukunft zu gestalten.

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