Das für Freitag geplante Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens mit dem iranischen Chefdiplomaten Abbas Araghtschi in Genf findet nach den Worten von Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) zu einem kritischen Zeitpunkt statt. „Die Lage ist unglaublich angespannt, es ist kaum abzusehen, wie sich die nächsten Tage entwickeln“, sagte Wadephul dem „Spiegel“ mit Blick auf den Angriffskrieg Israels gegen den Iran. „Jetzt nur auf das Beste zu hoffen, reicht nicht“, sagte der Minister.
„Hoffnung ist keine Kategorie von Diplomatie, Gespräche schon“, sagte Wadephul und betonte: „Ich versuche, eine Eskalation zu verhindern.“
Bei den Gesprächen am Freitag soll es um eine Verhandlungslösung für das iranische Atomprogramm gehen, wie aus europäischen Diplomatenkreisen verlautete. Neben Wadephul und seinen Kollegen Jean-Noël Barrot und David Lammy wird auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas daran teilnehmen.
Auf die Frage, ob die Bundesregierung Israel helfen werde, wenn die iranischen Angriffe weitergehen und die Zahl der Opfer steigt, sagte Wadephul: „Ich warne Teheran davor, internationale Vereinbarungen aufzukündigen und den Konflikt auszuweiten. Aber man kann das nicht ausschließen. Israel wird sich immer auf Deutschland verlassen können.“
Zur Rechtmäßigkeit von Israels Angriff auf den Iran sagte Wadephul, er könne „keine abschließende völkerrechtliche Einschätzung abgeben“. „Dazu würden wir Informationen benötigen, die wir nicht haben.“ Für eine rechtliche Prüfung bräuchte das Auswärtige Amt „alle Fakten, die Entscheidungsgrundlage der Israelis gewesen“ seien.
Israel hatte am vergangenen Freitag einen beispiellosen Großangriff auf den Iran gestartet und bombardiert seitdem vor allem Atomanlagen und militärische Einrichtungen in dem Land. Es werden aber auch Wohngebiete angegriffen. Der Iran reagiert mit Raketen- und Drohnenangriffen auf strategische Ziele.
Israel behauptet, das iranische Atomprogramm bedrohe seine Existenz, weil es zum Bau einer Atombombe führen könne. Der Iran hat jedoch nach eigenen Angaben noch nie den Bau einer Atombombe geplant. Dafür spricht auch eine Fatwa des geistlichen Führers Ali Chamenei, worin Massenvernichtungswaffen als unvereinbar mit dem Islam bewertet werden.
Laut Medienberichten tötete Israel bisher mindestens 639 Menschen im Iran. Mehr als 1.320 weitere wurden demnach verletzt. In Israel wurden Berichten zufolge 25 Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Im 2015 abgeschlossenen internationalen Atomabkommen mit dem Iran hatte Teheran sich dazu verpflichtet, Uran nur bis auf 3,67 Prozent anzureichern. Nach dem Bruch der USA mit dem Abkommen im Jahr 2018 hat Teheran seine Uran-Anreicherung weiter hochgefahren.
Mitte Mai verfügte der Iran nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) über 408,6 Kilo zu 60 Prozent angereicherten Urans. Mit einem solchen Vorrat könnten bei einer Anreicherung auf 90 Prozent – der für den Bau einer Bombe erforderlichen Schwelle – mehr als neun Sprengköpfe hergestellt werden.
Berichten zufolge sehen US-Geheimdienstler aber keine unmittelbare atomare Gefahr aus dem Iran. Außerdem verfügt Israel selbst über Atomwaffen, die aber nicht offiziell bestätigt und offengelegt werden. Viele Experten werten den Angriffskrieg Israels gegen den Iran als Verstoß gegen das Völkerrecht.