Wie der Zoll-Krieg Verbraucher und Unternehmen trifft
Die USA unter Trump haben gezeigt, dass sie kein verlässlicher Partner mehr sind für die EU. Es ist an der Zeit, dass Europa seine Schicksalsfragen selbst in die Hand nimmt.
Wie der Zoll-Krieg Verbraucher und Unternehmen trifft
Wie der Zoll-Krieg Verbraucher und Unternehmen trifft. Foto: Andrew Leyden/ZUMA Press Wire/dpa
4. April 2025

Die jüngste Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Sonderzölle auf deutsche und europäische Autos auf 25 Prozent anzuheben, markiert einen neuen Tiefpunkt in den ohnehin angespannten Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere zwischen den USA und Deutschland, aber auch der gesamten EU. Die Maßnahme trifft die exportorientierte Industrie Europas hart und steht zugleich symbolisch für die zunehmende Entfremdung der transatlantischen Partner. Doch die Auswirkungen dieser Politik gehen weit über die Automobilbranche hinaus: Sie betreffen fundamentale Fragen europäischer Sicherheits-, Technologie- und Handelspolitik.

Der 2. April war für Donald Trump, wie er es nennt, der „Liberation Day“, also der „Tag der Befreiung“. Denn genau dann traten die von dem US-Präsidenten verkündeten Zölle auf den Import von Autos und Stahl- und Aluminiumprodukte in Höhe von 25 Prozent in Kraft. Die Handelsexpertin Sonali Chowdhry vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verweist darauf, dass Deutschland innerhalb der Europäischen Union (EU) besonders stark durch die Maßnahmen Donald Trumps betroffen sei. Grund dafür sei die herausragende Bedeutung der USA als größter Abnehmer deutscher Autos. So seien im Jahr 2024 rund 13 Prozent aller deutschen Neufahrzeugexporte in die USA gegangen. Zudem entfielen etwa 65 Prozent der weltweiten Autoexporte in die USA auf die großen deutschen Hersteller Mercedes-Benz, BMW, Volkswagen und Audi.

Trump fühlt sich von seinen Handelspartnern betrogen

Damit nicht genug: Trump kündigte zudem weitere Zölle und Maßnahmen an. Der US-Präsident inszenierte den Tag der Zollmaßnahmen als „Befreiungsschlag“ für die USA – eine vermeintliche Erlösung von Handelspraktiken, die er als unfair brandmarkt. Sein Hauptziel: Die EU. Der Grund: Die Handelsbilanz. Denn die EU exportiere deutlich mehr Güter in die USA, als sie von dort beziehe.

Ein Missverhältnis, das Trump gezielt anprangert. Die EU, so sein Vorwurf, sei ein Konstrukt, um Amerika „abzuzocken“, ein Narrativ, welches er zuletzt wieder vermehrt verbreitete. Trump fühlt sich von seinen Handelspartnern in der EU betrogen. Allerdings sind die Maßnahmen, die er anwendet, gelinde ausgedrückt, diskussionswürdig.

Zölle: Ein ökonomisches Gift mit globalen Folgen

Mit seinem neuen Protektionismus verspricht sich der US-Präsident vor allem eine Stärkung der heimischen Produktion und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Zudem können die zusätzlichen Zolleinnahmen in Billionen-Höhe für Investitionen in die eigene Wirtschaft, Infrastruktur oder für Steuerrückerstattungen verwendet werden. Kurzfristig könnte Trumps Politik so der US-Binnenwirtschaft nutzen. Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaft gelten Zölle allerdings als kontraproduktiv: Sie schaffen keine Gewinner, sondern nur Verlierer, eine klassische Lose-Lose-Situation.

Demgegenüber stärkt freier Handel nicht nur die Wirtschaftskraft, sondern stabilisiert auch politische Beziehungen und sicherheitspolitische Bündnisse. Die aktuelle US-Handelspolitik könnte sich damit langfristig als strategischer Fehler erweisen. Durch die Abkehr vom Freihandel riskiert Amerika sinkende Produktivität und gestörte globale Lieferketten. Zudem trifft der Zollkonflikt die USA selbst: Höhere Kosten werden an Verbraucher weitergegeben und die Inflation anheizen, mit potenziell politischen Konsequenzen. Sollten die Preise spürbar steigen, dürfte die Wut der Konsumenten am Ende den Urheber dieser Politik treffen: Donald Trump selbst.

Steht uns jetzt eine Ära des wirtschaftlichen Abschwungs bevor?

Der internationale Zollkonflikt könnte Deutschland nach Ansicht des Präsidenten des DIW, Marcel Fratzscher, 2025 erneut einen wirtschaftlichen Abschwung bescheren. Besonders problematisch findet der Ökonom dabei nicht die höheren Abgaben bei Ausfuhren in die USA, sondern die fehlende Kalkulationssicherheit und Markverlässlichkeit für deutsche Firmen.

Fratzscher betont, dies werde die Investitionen der deutschen Unternehmen weiter schwächen und könne die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr erneut in eine Rezession stürzen. Der Wirtschaftsexperte sagt, dass Deutschland endlich begreifen müsse, dass es als vergleichsweise kleine Volkswirtschaft nur im Verbund mit einem starken Europa seine Interessen wirksam verteidigen könne.

Mögliche strategische Reaktionen auf die US-Handelspolitik

Für Fratscher‘s Kollegin Sonali Chowdhry vom DIW ergeben sich derweil drei strategische Reaktionsmöglichkeiten für die EU: „Erstens kann sie [die EU] Gegenmaßnahmen zum Preis weiterer wirtschaftlicher Verluste ergreifen und zweitens sektorale Vereinbarungen im Vertrauen auf den politischen Willen der USA suchen. Drittens kann die EU den Handel innerhalb des europäischen Binnenmarktes und mit anderen Freihandelspartnern vertiefen, um die Ausfuhren zu diversifizieren.“ Die dritte Option sei „die einzige, die zu spürbarem und langfristigem Wirtschaftswachstum führen und die Widerstandsfähigkeit der EU stärken“ könne, so die Handelsexpertin in einem Beitrag.

Boykott amerikanischer Waren als Vergeltung?

Trumps protektionistische Maßnahmen sind zwar kein neues Phänomen, doch ihre jüngste Eskalation trifft Deutschland in einer Phase wirtschaftlicher Schwäche. Die deutsche Wirtschaft, die bereits unter hohen Energiepreisen, strukturellen Problemen und einem schwachen Binnenmarkt leidet, sieht sich nun mit zusätzlichen Handelsbarrieren konfrontiert. Laut einer YouGov-Umfrage sind 53 Prozent der Deutschen bereit, US-Produkte zu boykottieren – ein deutliches Zeichen für die politische Verärgerung.

Doch ein Boykott allein wird die Probleme nicht lösen. Die EU erwägt deshalb geschlossen aufzutreten und mit Vergeltung und Gegenzöllen zu reagieren, wie es 68 Prozent der Deutschen befürworten. Ebenso ist eine Digitalsteuer im Gespräch. Bereits seit einigen Monaten verlassen immer mehr Institutionen und Persönlichkeiten die digitalen Social-Media-Plattformen wie X oder kaufen keine Tesla-Fahrzeuge mehr. Die Aktien der Edel-Automobilmarke fallen deutlich.

Auswärtiges Amt ändert Reisehinweise für die USA

Sogar das Reiseverhalten der Deutschen spiegelt die abkühlenden Beziehungen zu den USA wider: Während sich nur 25 Prozent der Befragten einen USA-Urlaub vorstellen können, schließt mehr als ein Drittel (37 Prozent) dies aus – meist aus politischen Motiven. Diese wachsende Distanz zu den USA findet in deutschen Medien ihr Echo. Einige Zeitungen sprechen von „Willkür“ und „Schikane“ bei der Einreise in die USA. Anlasslose Verhaftungen, Verhöre und Durchsuchungen würden die USA-Reise, trotz gültiger Dokumente, zu einer „Nervensache“ machen. Diese Ereignisse veranlassten das Auswärtige Amt kürzlich dazu, die Reisehinweise für die USA zu überarbeiten.

Ob solche Boykottmaßnahmen langfristig die Probleme lösen werden, bleibt fraglich. Die eigentliche Frage ist doch: Warum lässt Europa sich immer noch von den USA in die Enge treiben? Es ist an der Zeit, dass Deutschland und die EU ihre Abhängigkeit von den USA reduzieren – nicht nur im Handel, sondern auch in der Sicherheitspolitik.

Ein eigenständiges Europa ist möglich

Die USA unter Trump ziehen sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch aus Europa zurück. Die Aussetzung der Rüstungsunterstützung für die Ukraine und die Drohungen gegen die NATO sind klare Signale: Europa kann sich nicht länger auf den Schutz der USA verlassen. Laut ARD-Deutschlandtrend halten nur noch 16 Prozent der Deutschen die USA für einen verlässlichen Partner. Diese Entwicklung erfordert eine radikale Neuausrichtung der europäischen Sicherheitspolitik.

Die Pläne der EU und der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine „europäische Wiederaufrüstung“ sind ein Schritt in die richtige Richtung. Doch sie reichen nicht aus. Europa braucht eine eigenständige Verteidigungsstrategie, die nicht nur auf finanzielle Mittel, sondern auch auf politischen Willen setzt. Die geplanten 500 Milliarden Euro für die Modernisierung der Infrastruktur und die Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben sind wichtige Schritte. Doch ohne eine gemeinsame europäische Armee und eine unabhängige Rüstungsindustrie werden diese Investitionen ins Leere laufen.

Technologische Souveränität für mehr Unabhängigkeit

Der Handelsstreit mit den USA zeigt auch die Verwundbarkeit Europas in Schlüsseltechnologien. Ob Elektromobilität, künstliche Intelligenz oder Halbleiter, die USA und China dominieren diese Märkte, während Europa hinterherhinkt. Die Abwanderung deutscher Unternehmen ins Ausland, wie sie der DIHK beklagt, ist ein Alarmzeichen.

Deutschland und die EU müssen dringend in Forschung, Entwicklung und eigene Produktionskapazitäten investieren. Nur so können sie langfristig unabhängig bleiben. Nicht ohne Grund plädiert DIHK-Außenhandelschef Volker Treier dafür, dass Europa seine Unternehmen ohne Zeitverlust durch niedrigere Energiekosten, weniger Bürokratie und bessere Fachkräftebedingungen konkurrenzfähiger machen müsse. Im transatlantischen Pokerspiel hat Trump erhöht. Jetzt ist die EU am Zug. Wie wird die EU kontern?


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