Politik
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Ein neuer Weg für Österreich: Stabilität durch Zusammenarbeit
Die neue Koalition setzt auf Stabilität und Zusammenarbeit. Trotz ideologischer Unterschiede bietet sie die Chance, durch vereinte Anstrengungen langfristige Lösungen zu entwickeln.
Ein neuer Weg für Österreich: Stabilität durch Zusammenarbeit
Jörg Leichtfried (l-r, SPÖ), Ulrike Königsberger (SPÖ), Markus Marterbauer (SPÖ), Eva-Maria Holzleitner (SPÖ), Andreas Babler (SPÖ), Anna Sporrer (SPÖ), Korinna Schumann (SPÖ), Peter Hanke (SPÖ) und Michaela Schmidt (SPÖ) im Rahmen einer Pressekonferenz nach dem Bundesparteivorstandes der SPÖ. Foto: Max Slovencik/APA/dpa
1. März 2025

Mit der neuen Koalition aus der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), den Sozialdemokraten (SPÖ) und den liberalen Neos beginnt in Österreich eine politische Ära, die es seit 1945 nicht mehr gegeben hat: Eine Drei-Parteien-Regierung, die in einer langen und schwierigen Verhandlungsphase zustande gekommen ist. Doch kann diese Regierung tatsächlich bestehen oder ist sie nur eine Übergangslösung, um eine FPÖ-geführte Regierung zu verhindern?

Ein historischer Kompromiss

Ein historischer Kompromiss hat dazu geführt, dass ÖVP-Chef Christian Stocker neuer Bundeskanzler wird, während SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler als Vizekanzler fungieren wird. Die Regierung besteht aus 21 Mitgliedern: ÖVP und SPÖ stellen jeweils sechs Minister, die Neos zwei, dazu kommen sieben Staatssekretäre. Das politische Spektrum innerhalb der Regierung reicht damit von konservativen über sozialdemokratische bis hin zu wirtschaftsliberalen Positionen. Eine stabile Zusammenarbeit wird daher alles andere als einfach. Diese Koalition wurde nach zähen Verhandlungen geschmiedet, nachdem die ersten Gespräche gescheitert waren und das Mandat zur Regierungsbildung zunächst an die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter Herbert Kickl gegangen war. Es war nur knapp, dass Österreich nicht eine rechtsnationale Regierung bekommen hat. Letztlich war es vor allem Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der mit starkem Druck auf die politischen Akteure eine Mitte-Koalition erzwang. Doch ob dieser pragmatische Ansatz langfristig Bestand hat, bleibt fraglich.

Die ideologischen Differenzen der Koalitionspartner

Die Koalitionspartner vertreten in vielen zentralen politischen Fragen völlig unterschiedliche Positionen. Besonders gravierend sind die Differenzen in der Migrationspolitik, da die ÖVP eine restriktive Asyl- und Migrationspolitik verfolgt, während sich SPÖ und Neos für eine liberalere Einwanderungspolitik einsetzen. Die SPÖ will insbesondere Arbeitsmigration fördern, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, während die ÖVP dies strikt ablehnt.

In der Wirtschaftspolitik drängt die SPÖ auf höhere Sozialausgaben und eine stärkere Besteuerung von Vermögen, um den Sozialstaat zu finanzieren. Die ÖVP hingegen will Unternehmen entlasten und den Wirtschaftsstandort stärken. Die Neos setzen sich für einen noch radikaleren wirtschaftsliberalen Kurs ein, mit einer stärkeren Förderung von Start-ups und einem Bürokratieabbau.

Auch in der Sozialpolitik gibt es große Differenzen, da die SPÖ eine stärkere Umverteilung und eine Erhöhung des Mindestlohns fordert, während die ÖVP eher auf marktwirtschaftliche Lösungen setzt. Die Neos bevorzugen eine Mischstrategie aus wirtschaftsliberalen Reformen und sozialen Absicherungen. In der EU-Politik schließlich sind die Neos die pro-europäischste Partei in der Regierung und fordern eine stärkere Integration innerhalb der EU, während die ÖVP eine pragmatische EU-Politik verfolgt, die sich auf nationale Interessen konzentriert. Die SPÖ ist in dieser Frage gespalten: Ein Teil der Partei unterstützt eine tiefere EU-Integration, während ein anderer Teil einen eher kritischen Kurs fährt.

Eine Regierung gegen die FPÖ

Ein zentrales Motiv für die Bildung dieser Regierung war nicht die inhaltliche Übereinstimmung, sondern die Notwendigkeit, eine Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ zu verhindern. Die Freiheitlichen hatten bei den Wahlen mit 29 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt und standen kurz davor, mit Herbert Kickl den Kanzler zu stellen. Doch die ablehnende Haltung von Van der Bellen sowie die Weigerung der anderen Parteien, mit der FPÖ zu koalieren, führten dazu, dass eine Alternative gefunden werden musste. Dies macht die neue Regierung jedoch extrem anfällig: Sollte sie scheitern, wird die FPÖ voraussichtlich noch stärker profitieren. Viele Wähler könnten dies als Beweis dafür sehen, dass die "politische Elite" gegen den Willen des Volkes handelt, was die rechtspopulistische Erzählung der FPÖ nur weiter stärken würde.

Interne Spannungen und externe Herausforderungen

Die größte Herausforderung für die Koalition wird es sein, trotz ihrer fundamentalen Differenzen handlungsfähig zu bleiben. Konflikte sind vorprogrammiert, insbesondere in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die SPÖ wird es schwer haben, ihre sozialen Reformen durchzusetzen, da die ÖVP und die Neos wenig Interesse an einem Ausbau des Sozialstaats haben. Die ÖVP muss ihre konservative Wählerschaft beruhigen, die mit der Sozialdemokratie und den wirtschaftsliberalen Positionen der Neos wenig anfangen kann. Die Neos sind als kleinster Partner in der Koalition besonders gefährdet, zwischen den beiden großen Blöcken aufgerieben zu werden. Darüber hinaus gibt es externe Herausforderungen wie die anhaltende Inflation, die steigenden Energiepreise und die wirtschaftliche Unsicherheit in Deutschland, die negative Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft haben könnte. Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen geopolitischen Unsicherheiten könnten die Regierung zusätzlich destabilisieren.

Ein historisches Experiment mit ungewisser Zukunft

Die neue österreichische Regierung ist ein historisches Experiment, das von starken internen Widersprüchen geprägt ist. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob die drei Parteien in der Lage sind, trotz ihrer Differenzen stabile Kompromisse zu finden. Falls nicht, könnte das politische Establishment der FPÖ unfreiwillig den Weg an die Macht ebnen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich diese Koalition als zukunftsfähig erweist oder ob Österreich bald erneut vor einer politischen Krise steht. Eines ist jedoch sicher: Das Land steht an einem Scheideweg, und die politischen Entscheidungen der nächsten Jahre werden entscheidend für die Richtung sein, die Österreich einschlägt.

 


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