Rechtsextrem-Stempel: Wie mit der AfD umgehen?
POLITIK
7 Min. Lesezeit
Rechtsextrem-Stempel: Wie mit der AfD umgehen?Die Neu-Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz hat eine neue Debatte sowohl über den Umgang mit der Gesamtpartei als auch ihren Mitgliedern angestoßen. Die Rufe nach einem Verbot der AfD werden täglich lauter.
Rechtsextrem-Stempel: Wie mit der AfD umgehen? / Foto: Daniel Karmann/dpa
8. Mai 2025

Nach der Einstufung der Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nimmt die Diskussion über einen Verbotsantrag gegen die AfD an Fahrt auf. Der deutsche Inlandsnachrichtendienst hatte letzte Woche in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass die Ansichten der AfD „aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“ sowie des „vorherrschenden ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnisses“ nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar seien. Das Volksverständnis der rechten Partei sei exklusiv und ziele darauf ab, „bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen.“ Konkret betrachte die AfD „zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes“, erklärten die Verfassungsschützer. Das alles sind Phänomene des völkischen Rassismus sowie Ethnonationalismus.

Zentralrat der Muslime: AfD hat Klima in Deutschland vergiftet

Vertreter muslimischer und jüdischer Religionsgemeinschaften begrüßten die neue Einstufung der AfD-Bundespartei. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Abdassamad El Yazidi, sprach in einem Pressestatement von einem „Wendepunkt im Umgang des demokratischen Rechtsstaats mit einer Partei, die über Jahre hinweg systematisch rassistische, demokratiefeindliche und verfassungswidrige Positionen vertreten“ habe. Weiter sagte Yazidi: „Diese Einstufung bestätigt die bittere Realität, mit der Musliminnen und Muslime sowie andere Minderheiten seit Jahren leben.“ Die AfD habe „das gesellschaftliche Klima vergiftet und die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben.“ Der ZMD forderte ein „entschlossenes Handeln der politisch Verantwortlichen“ und erklärte, dass die Neubewertung der islamfeindlichen und rechtsradikalen Partei „keine symbolische Geste“ bleiben dürfe, sondern gerade jetzt „klare politische und gesellschaftliche Konsequenzen“ folgen müssten.

Wie jetzt mit den Parteimitgliedern und -funktionären umgehen?

Genau über dieses Thema gibt es aktuell eine rege Debatte:  Erste Bundesländer bereiten sich bereits vor, Konsequenzen aus der Neubewertung des BfV zu ziehen: Hessen und Bayern kündigten an, die Mitgliedschaft von AfD-Funktionären und -Mitgliedern im öffentlichen Dienst zu überprüfen. Hintergrund ist die Frage, ob eine Zugehörigkeit zur AfD mit der Treuepflicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte gegenüber einer Zeitung, man prüfe nun, welche Auswirkungen die Verfassungsschutz-Einstufung auf AfD-Mitglieder in Behörden, Polizei und Verwaltung habe. „Unsere Mitarbeiter in Polizei und Verwaltung müssen die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten“, so Poseck. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, mögliche Konsequenzen für AfD-Mitglieder im Staatsdienst zu untersuchen. Die Einstufung als extremistisch werfe neue Fragen zur Verfassungstreue von Beamten und Angestellten auf. Scharfe Worte kamen zudem vom CDU-Innenpolitiker und Sicherheitsexperten Roderich Kiesewetter. Im Handelsblatt forderte er ein entschlossenes Vorgehen gegen die AfD: „Deshalb könnte und sollte die Hochstufung der Partei Auswirkungen auf Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst haben, denn eine Mitgliedschaft in der AfD ist damit nicht vereinbar.“ Wer im Staatsdienst arbeite, müsse die Demokratie schützen – nicht untergraben. Im Zweifel müsse eine Entlassung folgen. Anders positionierte sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Zwar sei die AfD-Mitgliedschaft ein Warnsignal, doch eine Entlassung dürfe nicht pauschal erfolgen: „Man muss nachweisen, dass genau diese Person ihre Treuepflicht verletzt hat. Und da ist eine Mitgliedschaft in einer Organisation ein Grund – aber ob das ausreicht? Glaube ich nicht.“ Jeder Fall müsse individuell geprüft werden, auch bei Referendaren, so der Innenminister. Fakt ist: Während einige Länder bereits Konsequenzen ziehen wollen, mahnen andere zur Vorsicht. Die Diskussion zeigt: Die Einstufung der AfD als extremistisch hat nicht nur politische, sondern auch dienstrechtliche Sprengkraft. Ob es zu flächendeckenden Überprüfungen kommt, dürfte auch die Gerichte beschäftigen, denn die AfD wird sich nicht kampflos fügen. Die Partei hat auch schon am Montag vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Köln eine Klage und einen Eilantrag eingereicht und möchte dem BfV gerichtlich untersagen lassen, dass die Bundes-AfD als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ geführt, eingeordnet und behandelt wird.

SPD-Politiker Karaahmetoğlu: „Prüfen, ob AfD-Verbot möglich ist“

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoğlu fordert Konsequenzen im Umgang mit der AfD. Im Interview mit unserer Redaktion äußerte sich der Politiker über ein mögliches Parteiverbot, den Entzug der Staatsfinanzierung und den Umgang mit AfD-Mitgliedern im Staatsdienst. Karaahmetoğlu betont, die Einstufung des Verfassungsschutzes basiere auf fundierten Erkenntnissen. „Es ist die Pflicht der demokratischen Institutionen, zu prüfen, ob die neue Sachlage auch ein Verbot der Partei nahelegt“, so der SPD-Politiker. Allerdings warnt der Politiker aus Baden-Württemberg vor überstürzten Schritten: „Ein Verbotsverfahren müsste intensiv vorbereitet sein und große Aussicht auf Erfolg haben.“ Gleichzeitig dürfe die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD nicht vernachlässigt werden: „Es gilt weiterhin, ihre Politik mit Argumenten und Fakten zu entkräften.“

Besonders kritisch sieht Karaahmetoğlu die aktuelle staatliche Finanzierung der AfD. „Es erscheint absurd, dass die Demokratie eine Partei finanziert, die eben jene freiheitlich-demokratische Grundordnung angreift“, sagt er im Gespräch mit TRT Deutsch. Auch hier plädiert Karaahmetoğlu für eine rechtssichere Prüfung aller Möglichkeiten – ähnlich wie beim Verbotsverfahren. Beim Umgang mit AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst fordert der Abgeordnete eine sorgfältige Abwägung. „Schnellschüsse helfen nicht weiter, jegliche Maßnahmen müssen durchdacht und rechtlich wasserdicht sein“, erklärt er. Dennoch müsse man sich die Frage stellen, „ob Staatsbeamte einer Partei angehören sollten, die diesem Staat feindlich gegenübersteht.“

Angesichts der AfD-Erfolge in Gemeinden und Kommunen sieht Karaahmetoğlu die Bundes- und Landespolitik in der Pflicht. „Wir müssen den oftmals ehrenamtlich Engagierten vor Ort zur Seite stehen“, betont er. Dazu gehöre nicht nur Präsenz, sondern auch die Bereitstellung von Informationsmaterialien, um die „kruden Thesen der AfD“ inhaltlich zu widerlegen. Karaahmetoğlus Position ist klar: Die AfD muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden – sei es durch Verbotsverfahren, Finanzierungsentzug oder dienstrechtliche Konsequenzen. Doch gleichzeitig warnt er davor, die inhaltliche Auseinandersetzung zu vernachlässigen. „Die AfD lebt von einfachen Antworten auf komplexe Fragen. Dem müssen wir bessere Lösungen entgegensetzen“, so sein Appell im Gespräch mit TRT Deutsch.

Rechtsextreme Verdachtsfälle in den Reihen der Polizei

Bekannt wurde kürzlich zudem, dass in deutschen Polizeibehörden immer mehr Beamte wegen rechtsextremer Umtriebe ins Visier der Ermittler geraten. Eine gemeinsame Recherche von Stern und RTL ergab: Gegen mindestens 193 Polizistinnen und Polizisten in ganz Deutschland laufen aktuell Disziplinarverfahren oder strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus oder Verschwörungsideologien. Die tatsächliche Zahl extremistischer Verdachtsfälle dürfte jedoch weit über den offiziellen Angaben liegen. Gerade die Polizei steht als Hüterin der Demokratie besonders in der Pflicht. Jeder rechtsextreme Beamte untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat, gerade in Zeiten, in denen rechte Organisationen wie die AfD an Einfluss gewinnen.

Wehrhafte Demokratie muss jetzt handeln

Der Aufstieg der AfD zur zweitstärksten Kraft in aktuellen Umfragen ist ein Alarmsignal, aber kein Grund zur Resignation. Zwar scheinen viele Wähler die verfassungsfeindliche Haltung der Partei zu ignorieren oder zu verharmlosen. Doch die wehrhafte Demokratie hat Instrumente, die jetzt konsequent genutzt werden müssen: von einem sorgfältig vorbereiteten Verbotsverfahren über den Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung bis hin zum Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus sensiblen Positionen im Staatsdienst.

Allein die Streichung der jährlich rund zehn Millionen Euro an Parteienfinanzierung würde die AfD empfindlich treffen – und zeigen, dass demokratische Institutionen ihre Spielregeln nicht gegen sich ausnutzen lassen. Doch rechtliche Schritte allein reichen nicht. Die neue Regierungskoalition muss der AfD ihren größten Nährboden entziehen, die Probleme angehen, die die AfD stark gemacht haben, und vor allem politische Antworten bieten. Das heißt auch: Die (wirtschaftlichen und sozialen) Sorgen der Menschen dürfen in der aktuellen Umbruch- und Krisenzeit nicht länger ignoriert werden. Die schwarz-rote Koalition muss in zentralen Bereichen wie Wirtschaftspolitik, Migration, Sicherheit, Infrastruktur- und Wohnungsbau sowie sozialer Gerechtigkeit liefern – und zwar schnell.

Gleichzeitig darf die Debatte nicht im AfD-Bashing ersticken. Die etablierten Parteien müssen sich überdies fragen, was sie alles falsch gemacht haben. Man muss zudem bedenken, dass es zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen könnte, wenn eine Partei zu verboten würde, die bei den Bundestagswahlen mit 20,8 Prozent von jedem Fünften gewählt wurde und Oppositionsführerin ist. Wer die Wähler der AfD pauschal dämonisiert, treibt sie nur weiter in die Arme der Rechtsradikalen. Stattdessen gilt es, die verunsicherte Mitte zurückzugewinnen – durch klare Politik, aber auch durch Empathie. Die bittere Ironie der aktuellen Lage: Gerade, weil die AfD so erfolgreich ist, wird sie für viele Wähler zur vermeintlich „normalen“ Alternative. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist die größte Herausforderung. Deutschlands unrühmlichen Geschichte lehrt uns: Gegen Republikfeinde muss mit aller Härte des Rechtsstaats vorgegangen werden, aber auch mit der Überzeugungskraft besserer und zukunftsweisender Politik.

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