Das sogenannte Gaza-Tribunal, ein unabhängiges „Volkstribunal“, das eingerichtet wurde, um die anhaltenden Kriegsverbrechen Israels im Gazastreifen zu untersuchen, hat am Donnerstag in der Sarajevo-Erklärung das israelische Regime scharf verurteilt.
Drei Tage lang fanden an der Internationalen Universität Sarajevo Anhörungen statt – zu Themen wie der politischen Ökonomie des Völkermords und der Zerstörung Gazas, dem Verbrechen der Aushungerung, der Rolle des internationalen Systems im Zeitalter des Völkermords, der Kriminalisierung von Studentenprotesten sowie der Bedeutung von Volkstribunalen.
Seit Oktober 2023 hat Israel mehr als 54.000 Palästinenser in Gaza getötet, die meisten davon Frauen und Kinder. Die nahezu vollständige Zerstörung des Gebiets, akuter Mangel an Lebensmitteln und grundlegender Versorgung haben die Gefahr einer Hungersnot drastisch erhöht.
„Kollektive moralische Empörung“
Die Erklärung von Sarajevo spricht von einer „kollektiven moralischen Empörung über den anhaltenden Völkermord in Palästina“ und kündigt an, „mit Partnern der globalen Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um den Völkermord zu beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen – für ein freies Palästina“.
„Wir verurteilen das israelische Regime, seinen Völkermord sowie seine seit Jahrzehnten andauernde Politik des Siedlerkolonialismus, des ethnischen Suprematismus, der Apartheid, der rassischen Segregation, der Verfolgung, der illegalen Siedlungen, der Verweigerung des Rückkehrrechts, der Kollektivbestrafung, Masseninhaftierungen, Folter und grausamer Behandlung, außergerichtlicher Hinrichtungen, systematischer sexueller Gewalt, Zerstörungen, Vertreibungen, ethnischer Säuberungen, demografischer Manipulation, Aushungerung, der systematischen Verweigerung wirtschaftlicher und sozialer Rechte sowie der Auslöschung.“
Die Erklärung lehnt zudem „die zerstörerische Ideologie des Zionismus als offizielle Staatsideologie des israelischen Regimes“ ab. Sie kritisiert sowohl die historischen Kolonisatoren Palästinas als auch pro-israelische Organisationen und Stellvertreter.
Die Erklärung fordert „eine Entkolonialisierung des gesamten Gebiets, ein Ende des ethnischen Suprematismus sowie die Ersetzung des Zionismus durch eine Ordnung, die auf gleichen Rechten für Christen, Muslime, Juden und andere basiert“.
Sie verlangt einen sofortigen Stopp aller israelischen Militäraktionen, den Abzug der Truppen sowie ein Ende des Völkermords, der Vertreibungen, Siedlungstätigkeit, der Belagerung des Gazastreifens und der Bewegungseinschränkungen im Westjordanland.
Mitschuld an Kriegsverbrechen
Das Tribunal kritisierte zudem „die anhaltende Mittäterschaft von Regierungen an den israelischen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem Völkermord in Palästina“ sowie „die beschämende Rolle vieler Medienunternehmen, die den Völkermord verschleiern, Palästinenser entmenschlichen und anti-palästinensische Propaganda verbreiten“.
Das Tribunal betonte das unverhandelbare, universelle und völkerrechtlich bindende Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung.
Zu den weiteren Forderungen zählen der ungehinderte Zugang humanitärer Hilfe nach Gaza sowie der Abzug israelischer Streitkräfte aus libanesischen und syrischen Gebieten.
Alle Staaten und internationalen Organisationen werden aufgefordert, „das historische Versagen der Untätigkeit zu beenden, sofort gegen den israelischen Angriff und die Belagerung vorzugehen, internationales Recht zu wahren, Täter zur Rechenschaft zu ziehen und die Menschen in Palästina zu schützen“.
Die Erklärung würdigt zugleich die Arbeit unabhängiger Gremien der UN und der Flüchtlingshilfeorganisation UNRWA und lobt ihren prinzipientreuen Einsatz für die Rechte der Palästinenser.
Das Gaza-Tribunal wurde im November 2024 in London gegründet – durch ein Bündnis aus Wissenschaftlern, Menschenrechtsexperten und zivilgesellschaftlichen Organisationen als Reaktion auf das „vollständige Versagen der internationalen Gemeinschaft bei der Umsetzung internationalen Rechts“.
Die abschließende Anhörung des Tribunals soll im Oktober 2025 in Istanbul stattfinden. Dort wird eine „Jury des Gewissens“ einen Entwurf der Schlussfolgerungen vorlegen – gestützt auf Zeugenaussagen und Berichte betroffener Palästinenser*innen.