Israels neue Lebensader: Russische Basen in Syrien
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Israels neue Lebensader: Russische Basen in SyrienIsraelische Beamte wollen die USA davon überzeugen, den Erhalt russischer Militärbasen in Syrien zu gestatten. Mit der Lobby-Kampagne versucht Tel Aviv, den türkischen Einfluss in der Region zu schwächen.
Israels neue Lebensader: Russische Basen in Syrien
vor 6 Stunden

von Salman Niyazi

Auf den ersten Blick erscheint es schwer vorstellbar: Israel, ein traditioneller Verbündeter der USA, setzt sich aktiv für den Erhalt der russischen Militärpräsenz in Syrien ein. Die Situation scheint den Beziehungen zwischen Tel Aviv und Moskau, die – insbesondere während der Sowjetzeit – von Spannungen geprägt sind, zu widersprechen. Doch in der heutigen turbulenten Welt, vor allem im Nahen Osten, wo das Regime von Baschar al-Assad kürzlich gestürzt wurde und eine neue Regierung an die Macht gekommen ist, sieht Israel Russland als stabilisierenden Faktor, der hilft, das regionale Machtgleichgewicht aufrechtzuerhalten.

Auch Russland ist bestrebt, seine Basen in Syrien zu erhalten. Dies ist für Moskau essenziell, um sowohl sein internationales Prestige zu wahren als auch seine militärischen Operationen in Afrika zu unterstützen. Die militärischen Einrichtungen in Syrien dienen als wichtiger logistischer Knotenpunkt zur Versorgung russischer Streitkräfte auf dem afrikanischen Kontinent.

Netanjahus pragmatischer Ansatz

In den stillen Korridoren des Kremls hallten kürzlich die Schritte des israelischen Generalmajors Roman Gofman, des militärischen Sekretärs von Premierminister Benjamin Netanjahu, wider. Seine Mission in Moskau wurde nicht breit publik gemacht, war aber von großer Bedeutung für Israels Sicherheitsstrategie. Laut Berichten führte Gofman eine Reihe von Gesprächen mit russischen Beamten, um die bilaterale Zusammenarbeit im Kontext der sich wandelnden Syrien-Frage zu vertiefen.

Israelische Medienquellen, die mit dem Inhalt dieser Verhandlungen vertraut sind, berichten, dass Israel die russische Präsenz in Syrien als stabilisierenden Faktor ansieht und darauf abzielt, den bestehenden Status quo zu erhalten.

Gofmans Besuch ist nur ein Teil der jüngsten Annäherung zwischen Moskau und Tel Aviv. Ein weiteres bedeutendes Zeichen ist die Einladung an Israel zur Siegesparade am 9. Mai in Moskau, mit der an die Niederlage Nazi-Deutschlands erinnert wird. Obwohl Premierminister Netanjahu nicht persönlich an der Veranstaltung teilnehmen wird, wird Israel durch Botschafterin Simona Halperin vertreten sein – ein bemerkenswertes diplomatisches Signal.

In einem Kommentar gegenüber russischen Medien betonte Halperin Israels unveränderte historische Haltung: „Historische Fakten ändern sich nicht aufgrund geopolitischer oder anderer Umstände. 2017 entschied die Knesset, dass der 9. Mai als Tag des Sieges anerkannt wird.“

Lobbyarbeit in Washington

Laut aktuellen Berichten von Reuters führen israelische Beamte eine aktive Kampagne, um die USA davon zu überzeugen, Russland den Erhalt seiner Militärbasen in Syrien zu gestatten – insbesondere die Marinebasis in Tartus und den Luftwaffenstützpunkt Chmeimim in Latakia.

„Israel lobbyiert in den USA dafür, dass Syrien geschwächt und dezentralisiert bleibt, indem es Russland erlaubt wird, seine Militärbasen dort zu behalten, um den wachsenden Einfluss von Türkiye einzudämmen“, sagten vier mit der Angelegenheit vertraute Quellen.

Bemerkenswert ist, dass die israelische Delegation bei Gesprächen mit US-Vertretern so positiv über die russische Präsenz sprach, dass dies Verwunderung auslöste. Einige amerikanische Vertreter hielten entgegen, dass Türkiye als NATO-Mitglied ein besserer Garant für Israels Sicherheit sei. Doch die israelischen Vertreter sollen dem „entschieden“ widersprochen haben.

UN-Abstimmung und strategische Veränderungen

Ein aufschlussreiches Ereignis war die jüngste Abstimmung in der UN-Generalversammlung, bei der Israel gemeinsam mit Russland und den USA gegen eine Resolution zur Unterstützung der Ukraine stimmte. Am 25. Februar votierte Israel gegen eine Resolution, die Russlands Vorgehen in der Ukraine verurteilte. Dieser Schritt spiegelt die realpolitische Haltung der israelischen Außenpolitik wider, bei der Prinzipien und Werte zweitrangig sind und Entscheidungen allein auf unmittelbaren Interessen basieren.

Um diese geopolitischen Veränderungen zu verstehen, muss man die komplexe Dynamik des Syrien-Konflikts betrachten. Nach dem Sturz Assads übernahm die Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) unter Ahmad al-Sharaa die Kontrolle. Türkiye unterstützte von Anfang an die syrische Opposition und wurde schnell zu einem zentralen Verbündeten der neuen Regierung.

Warum bevorzugt Israel Russland und nicht Türkiye?

Israels strategische Interessen in dieser Situation werden von mehreren Faktoren bestimmt:

  1. Russland hat seit 2015 eine relativ stabile und vorhersehbare Militärpräsenz in Syrien aufrechterhalten. Diese Stabilität ist für Israel von Wert, da es sich lieber mit einem berechenbaren Akteur als mit einem Machtvakuum konfrontiert sieht.

  2. Zwischen Israel und Russland existiert ein Mechanismus zur Konfliktvermeidung im syrischen Luftraum. Dieses Abkommen ermöglicht Israel Luftangriffe in Syrien, ohne dass Russland eingreift. Sollte die russische Präsenz durch türkische Truppen ersetzt werden, könnte diese „Handlungsfreiheit“ verschwinden.

  3. Auch während Assads Herrschaft war die Zusammenarbeit zwischen Israel und Russland offensichtlich. Russische Luftabwehrsysteme wie S-300 und S-400 wurden nie gegen israelische Kampfflugzeuge aktiviert, obwohl Israel Hunderte von Angriffen auf iranische und syrische Ziele durchführte.

    Russland wirkt zudem als Gegengewicht zum iranischen Einfluss in Syrien. Obwohl beide Länder Assad unterstützt haben, überschneiden sich ihre Interessen nicht immer. Russland hat wiederholt Irans militärische Ausbreitung nahe der israelischen Grenze begrenzt – was Israels strategischen Zielen entspricht.

Der türkische Faktor in der neuen Gleichung

Türkiye stärkt aktiv seine Position in der Region und baut seine Beziehungen zur neuen syrischen Führung aus. Ankara betont sein Engagement für die regionale Stabilisierung – eine Politik, die Israels Interessen entgegenläuft, da Tel Aviv versucht, von der chaotischen Lage im Nahen Osten zu profitieren.

Seit Beginn des israelischen Angriffs auf Gaza hat Türkiye seine diplomatische, mediale, politische und juristische Unterstützung für die palästinensische Sache massiv ausgebaut. Zudem hat Ankara die Handelsbeziehungen mit Israel – im Wert von 9,5 Milliarden Dollar – vollständig abgebrochen und die humanitäre Hilfe für Palästina erheblich erhöht.

Israels Außenminister Gideon Saar betonte die Komplexität der neuen geopolitischen Lage, in der verschiedene Mächte ihren Einfluss ausbauen. Für Israel sei es entscheidend, seinen „Qualitativen Militärvorsprung“ (QME) in der Region zu bewahren. Dieses Konzept besagt, dass Israel eine technologische, militärische und strategische Überlegenheit gegenüber seinen Nachbarn behalten muss – ein Prinzip, das seit 2008 im US-amerikanischen Recht verankert ist.

Reaktion der USA und Zukunftsaussichten

Es bleibt unklar, inwieweit die Regierung von US-Präsident Donald Trump bereit ist, Israels Vorschläge anzunehmen. Seit Trumps Amtsantritt haben die USA wenig über Syrien verlauten lassen, was ein politisches Vakuum geschaffen hat, das Israel nun zu füllen versucht. Gleichzeitig sorgt die Annäherung zwischen Israel und Russland bei westlichen Verbündeten für Unruhe.

Eine neue geopolitische Realität

Israels Bemühungen um den Erhalt der russischen Militärpräsenz in Syrien sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Transformation traditioneller Allianzen angesichts neuer Herausforderungen. Ideologische Gräben verlieren an Bedeutung, stattdessen stehen strategische Interessen im Mittelpunkt.

Israel bleibt ein zentraler Verbündeter der USA im Nahen Osten, nutzt aber gleichzeitig russischen Einfluss, um seine regionalen Gegner in Schach zu halten. In dieser neuen geopolitischen Realität werden frühere Rivalen zu situativen Partnern – wenn es die Interessen erfordern.

QUELLE:TRT Deutsch
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