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Welche Rolle spielen China und Russland bei den USA-Iran-Atomgesprächen?
Ist eine erste Einigung bei den Atomgesprächen zwischen den USA und dem Iran in Sicht? Und warum bevorzugen es China und Russland, in der Iran-Atomfrage neutral zu bleiben?
Welche Rolle spielen China und Russland bei den USA-Iran-Atomgesprächen?
Welche Rolle spielen China und Russland bei den USA-Iran-Atomgesprächen? / Foto: Fatemeh Bahrami (AA)
17. April 2025

Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu kündigte US-Präsident Donald Trump überraschenderweise an, dass Mitte April direkte Gespräche zwischen den USA und dem Iran über das iranische Atomprogramm starten werden. Obwohl Teheran in letzter Zeit die Aussichten auf direkte Verhandlungen abgelehnt hatte, äußerte sich Trump optimistisch über eine mögliche Einigung und betonte, dass andere Optionen unerwünscht seien. Die Ankündigung stellt einen bemerkenswerten Wandel der US-Politik dar, vor allem in Anbetracht von Trumps einseitigem Ausstieg aus dem Atomabkommen von 2015 im Jahr 2018. Die jüngsten Entwicklungen erfolgen inmitten internationaler Spekulationen über mögliche israelische Militäraktionen, mit etwaiger Unterstützung der USA, sollten die diplomatischen Bemühungen scheitern.

Der iranische Außenminister Abbas Araghchi bestätigte Trumps Aussagen in einem Beitrag auf der Online-Plattform X, betonte aber, das Treffen werde indirekt sein. „Der Iran und die USA werden sich am Samstag in Oman zu indirekten Gesprächen auf hoher Ebene treffen. Das ist sowohl eine Gelegenheit als auch ein Test. Der Ball liegt nun bei den USA“, erklärte Araghchi.

Im Anschluss an diese Erklärungen fand am vergangenen Samstag die erste Verhandlungsrunde zwischen Teheran und Washington in Muskat, der Hauptstadt Omans, statt. Die iranische Delegation wurde von Außenminister Abbas Araghchi geleitet, während Steve Witkoff, der US-Sondergesandte für Angelegenheiten des Nahen Ostens, die amerikanische Delegation anführte. Berichten zufolge einigten sich beide Seiten auf die Fortsetzung der diplomatischen Gespräche. Beide Seiten sollen die Atmosphäre als konstruktiv und förderlich für den weiteren Dialog bewertet haben.

Auch das Weiße Haus teilte in einer schriftlichen Erklärung mit, dass Witkoff sehr positive und konstruktive Gespräche mit Araghchi geführt habe. Diese seien vom omanischen Außenminister Badr bin Hamad al-Busaidi begleitet worden.

Indes sprach US-Verteidigungsminister Pete Hegseth in einem Interview mit Fox News am vergangenen Sonntag über das Ergebnis der Verhandlungen. Hegseth bekräftigte, dass Trump sich voll und ganz dafür einsetze, den Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern. Er wies darauf hin, dass Trump in den letzten zwei Jahrzehnten eine konsequente Haltung in dieser Frage eingenommen habe und an seiner Position festhalte. Trump strebe eine diplomatische Lösung an und habe sich daher für eine direkte Beteiligung an den Verhandlungen entschieden. 

Hegseth bezeichnete die jüngsten Gespräche als einen positiven Schritt und lobte Witkoff für seine Bemühungen während der Gespräche. Der US-Verteidigungsminister verzichtete auf konkrete Vorhersagen, räumte aber ein, dass im Falle eines Scheiterns der Diplomatie andere Optionen, einschließlich militärischer Maßnahmen, auf dem Tisch liegen. 

Wie haben sich Russland und China der Sache genähert?

Nachdem die Aufnahme von Gesprächen zwischen dem Iran und den USA bestätigt wurde, schaltete sich Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ein und kündigte die Unterstützung Russlands für die geplanten indirekten Atomverhandlungen im Oman an. Russland hoffe, dass die Gespräche zum Abbau der Spannungen zwischen den beiden Staaten beitragen werden, erklärte er.

In einem Gespräch mit Journalisten bekräftigte Peskow am Dienstag, dass Russland bei dem Prozess eine diplomatische Lösung auf der Grundlage politischer Maßnahmen unterstütze. „Wir wissen, dass bestimmte direkte und indirekte Kontakte in Oman geplant sind. Und das kann natürlich nur begrüßt werden, weil es zu einer Deeskalation der Spannungen mit dem Iran führen kann“, sagte er.

Bereits zuvor hatte der stellvertretende russische Außenminister Andrei Rudenko klargestellt, dass Russland dem Iran im Falle eines Krieges mit den USA keine militärische Hilfe leisten werde. In einer Rede vor Mitgliedern des russischen Unterhauses, der Staatsduma, hatte Rudenko am 8. April erklärt: „In einem solchen Szenario ist Russland nicht verpflichtet, militärische Hilfe zu leisten. Ich glaube, wir würden es vorziehen, eine solche Situation wegen der katastrophalen Folgen, die sie für die Region haben könnte, zu vermeiden. Wir wollen nicht in einen weiteren Konflikt in der Region hineingezogen werden.“

Im Anschluss an die Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran erklärte Rudenko in einem Interview mit RIA Novosti am 14. April, dass Russland jede Verhandlung konsequent nach ihren Ergebnissen bewerte. Nach seinem Informationsstand würden die Gespräche in der nächsten Woche fortgesetzt, sodass konkrete Ergebnisse zu erwarten seien, fügte er hinzu. Er begrüßte die Tatsache, dass solche Verhandlungen stattfinden. Positive Ergebnisse würden mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen, sagte er.

Nach der Ankündigung der indirekten USA-Iran-Atomgespräche im Oman hat auch China seine Unterstützung für die Verhandlungen zum Ausdruck gebracht und die USA gleichzeitig aufgefordert, gegenüber Teheran Aufrichtigkeit zu zeigen. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Liu Jian, betonte, dass die USA, die sich einseitig aus dem Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) zurückgezogen hatten, die Verantwortung für den derzeitigen Stillstand übernehmen und politische Aufrichtigkeit zeigen sollten. 

„Als ein Land, das sich einseitig aus dem JCPOA zurückgezogen und zu der gegenwärtigen Sackgasse beigetragen hat, müssen die USA politische Aufrichtigkeit zeigen, einen auf gegenseitigem Respekt basierenden Dialog und Konsultationen aufnehmen und auf die Anwendung von Gewalt und maximalen Druck verzichten“, erklärte Liu. „China ist der festen Überzeugung, dass die Frage des iranischen Atomprogramms mit politischen und diplomatischen Mitteln angegangen werden muss, da dies der einzig richtige Ansatz ist“, sagte er weiter.

Betrachtet man die Erklärungen Russlands und Chinas, so fällt auf, dass die beiden Länder den diplomatischen Lösungsweg betonen, während sie eine Parteinahme zu vermeiden scheinen. Warum bevorzugen es Russland und China, vorsichtig zu handeln? Mit anderen Worten: Was bedeutet die Iran-Atomfrage für die beiden Akteure?

Warum wollen China und Russland in der Iran-Atomfrage neutral bleiben?

Da die iranische Nuklearfrage nach wie vor zu den heikelsten Themen der internationalen Politik gehört, sind die Positionen von China und Russland von großer Bedeutung. Als ständige Veto-Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind sowohl Peking als auch Moskau nicht nur formelle Teilnehmer an den Verhandlungen, sondern auch wichtige Akteure, die den Prozess mitgestalten können.

In diesem Zusammenhang erweisen sich die Beziehungen zwischen dem Iran und China, auch wenn sie gelegentlich als strategische Partnerschaft bezeichnet werden, als definiert und pragmatisch, wenn man die außenpolitischen Prioritäten Pekings und sein Ziel, eine Weltmacht zu werden, berücksichtigt. Chinas Herangehensweise an den Nahen Osten basiert im Wesentlichen auf einem geoökonomischen Gleichgewicht und strategischer Geduld auf globaler Ebene und nicht auf regionalem Wettbewerb. Daher ist es bei der Bewertung der iranisch-chinesischen Beziehungen von entscheidender Bedeutung, Chinas umfassendere strategische Prioritäten im Nahen Osten und den Platz, den der Iran in diesem Rahmen einnimmt, sorgfältig zu berücksichtigen.

China sieht in erster Linie jede plötzliche Störung, die die wirtschaftliche Integration und die Kontinuität des internationalen Handels gefährden könnte, als nachteilig für seine Interessen in seinem Wettlauf mit den USA um die Weltmacht. Infolgedessen ist Peking in seinen Beziehungen zu Akteuren im Nahen Osten, die die Spannungen eskalieren könnten, vorsichtig, während es vertiefte Partnerschaften mit Ländern entwickelt, die der Stabilität Vorrang einräumen und hohe wirtschaftliche Erträge bieten. 

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass das für 25 Jahre angesetzte Kooperationsabkommen mit dem Iran, das 2021 unterzeichnet wurde, noch keine wesentlichen Fortschritte gemacht hat. Aus Pekings Sicht begrenzen bürokratische Engpässe, langsame Umsetzungsprozesse und Unsicherheiten in Bezug auf die Investitionssicherheit die Bereitschaft, tiefe Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern wie dem Iran aufzubauen. Chinas Außenpolitik zielt auf schnelle Ergebnisse ab und versucht, jedes Abkommen in kurzer Zeit in wirtschaftliche Gewinne umzuwandeln. Daher ist Chinas Auslandsinvestitions-Strategie auf hohe Effizienz und geringes Risiko ausgerichtet. Der Iran erfüllt in seinem derzeitigen Zustand diese Kriterien nicht.

In seinem Verhältnis zu Teheran versucht Peking, sein Image als „verantwortungsvolle Großmacht“ im internationalen System zu stärken und gleichzeitig ein globales Narrativ zu konstruieren, wonach Multilateralismus und Diplomatie dem US-amerikanischen Unilateralismus vorzuziehen seien. Chinas Betonung des friedlichen Charakters des iranischen Atomprogramms und seine Kritik an den unilateralen US-Sanktionen sind nicht nur eine diplomatische Unterstützung für Teheran, sondern stellen auch die Legitimität der westlich orientierten internationalen Ordnung infrage. Chinas Engagement in diesem Bereich hat seit dem Jahr 2010 an Bedeutung gewonnen. Peking hat beschlossen, eine aktive Rolle bei der Verhinderung potenzieller militärischer Interventionen im Zusammenhang mit den iranischen Nuklearaktivitäten und bei der Aufrechterhaltung des Status quo im Nahen Osten zu spielen. Im Rahmen seiner Doktrin des „stabilitätsbasierten Aufstiegs“, einer der wichtigsten Säulen der chinesischen Außenpolitik, wird Instabilität in einer für die Energiesicherheit so wichtigen Region wie dem Nahen Osten als erhebliche Bedrohung empfunden. Daher bevorzugt China einen kontrollierten Ansatz in Bezug auf das iranische Atomprogramm – ein Gleichgewicht, welches die Aufrechterhaltung der Spannungen ermöglicht, ohne dass es zu einem Konflikt eskaliert. Es ist jedoch auch klar, dass China nicht dafür plädiert, dass der Iran im Besitz von Atomwaffen ist. Peking spricht sich für eine begrenzte Anzahl von Ländern mit Atomwaffen aus. China ist der Ansicht, dass das Entstehen einer neuen Atommacht nicht nur internationale Rüstungskontrollregime untergraben, sondern auch regionale Rüstungswettläufe auslösen würde.

An diesem Punkt lassen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Perspektiven Chinas und Russlands in Bezug auf den Iran feststellen: Während Moskau ein Szenario anstrebt, in dem die internationale Ordnung rasch zusammenbricht, bevorzugt Peking eine kontrollierte Umgestaltung des bestehenden Systems. In diesem Zusammenhang besteht Russlands primäres politisches Ziel darin, Europas Einfluss auf die iranische Nuklearfrage zu schwächen und seine eigene Position als dominanter Akteur in diesem Bereich zu stärken. Nach dem Systembruch mit dem Westen versucht Moskau, seine Isolation auf der Weltbühne zu überwinden und sich als alternativer diplomatischer Gesprächspartner zu positionieren. Diese Politik Moskaus ist nicht nur ein Versuch, sich einen Vorteil in der geopolitischen Gleichung zu verschaffen, sondern auch Teil seines breiteren wirtschaftlichen Widerstands gegen den Westen.

Während die Besetzung der Ukraine durch Russland Europa vor die größte sicherheitspolitische Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg gestellt hat, hat die Nachricht von der Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten neue Präferenzen für Russland geschaffen. Einerseits rechtfertigt Russland den Krieg in der Ukraine als Teil seiner Strategie der defensiven Sicherheit als Reaktion auf die NATO-Erweiterung. Andererseits spielt Moskau als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats mit Vetomacht eine wichtige Rolle in der Iran-Atomfrage. 

In den letzten Jahren hat Moskau an Einfluss gewonnen, indem es sich mit bestimmten Gruppierungen verbündet und Risse in der Machtstruktur und den Entscheidungsgremien der iranischen Sicherheits- und Militäreinrichtungen verursacht hat. Dieser Einfluss hat solch ein Maß erreicht, dass eine Lösung der iranischen Nuklearkrise ohne seine Beteiligung unmöglich erscheint. Da auch Obama die wichtige Rolle Putins beim Atomabkommen von 2015 gelobt hat, ist nun klar, dass ein nuklear bewaffneter Iran mit Moskaus Interessen kollidieren könnte. Die drohende Nuklearisierung des Irans hat eine Krise ausgelöst, die Russland insbesondere durch seinen Einfluss in Teherans Entscheidungsstrukturen und seine Rolle bei der Bewältigung der Krise als wirksames Druckmittel gegen den Westen nutzen konnte.


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