Bei den jüngsten israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben mehr als 330 Palästinenser getötet worden. Demnach wurden am Dienstagmorgen innerhalb von nur fünf Stunden an verschiedenen Orten des abgeriegelten Küstenstreifens Hunderte Menschen getötet. Mitarbeiter des Nasser-Krankenhauses in Chan Yunis, des Al-Aqsa-Krankenhauses im Zentrum des Gazastreifens und des Al-Ahli-Krankenhauses in Gaza-Stadt, die alle durch den israelischen Vernichtungskrieg stark beschädigt wurden, erklärten, dass sie insgesamt etwa 85 Tote verzeichnet hätten. Der Palästinensische Rote Halbmond gab an, dass seine Teams 86 Tote bargen und 134 Verwundete behandelten, während weitere Verletzte mit Privatautos in die überfüllten Krankenhäuser gebracht wurden.
Die israelischen Angriffe erfolgten offenbar an mehreren Orten gleichzeitig, darunter im nördlichen Gazastreifen, in Gaza-Stadt sowie in Deir al-Balah, Chan Yunis und Rafah im zentralen und südlichen Gazastreifen. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sind unter den Getöteten viele Kinder. Augenzeugen der Angriffe berichteten gegenüber Reuters, dass israelische Panzer Gebiete in Rafah im südlichen Gazastreifen beschossen und viele Familien, die nach Beginn der Waffenruhe in ihre Gebiete zurückgekehrt waren, dazu zwangen, ihre Häuser erneut zu verlassen.
Die Hamas warf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einen Verstoß gegen die seit Januar geltende Waffenruhe-Vereinbarung vor. Netanjahu und seine „extremistische Regierung“ hätten „beschlossen, das Waffenruhe-Abkommen zu brechen“, sagte die Hamas. Israel habe „seinen Völkermord am palästinensischen Volk im Gazastreifen wieder aufgenommen“, erklärte Izzat er-Rishk, Mitglied des Hamas-Politbüros, in einer schriftlichen Erklärung.
Israel beendet Waffenruhe
Israel hat in der Nacht zum Dienstag die Waffenruhe mit der Hamas beendet und Angriffe auf den Gazastreifen gestartet. Wie das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sagte, ist das Militär angewiesen worden, „energisch“ gegen die Hamas vorzugehen. „Dies folgt auf die wiederholte Weigerung der Hamas, unsere Geiseln freizulassen, sowie auf ihre Ablehnung aller Vorschläge, die sie vom Gesandten des US-Präsidenten Steve Witkoff und von den Vermittlern erhalten hat“, hieß es in der Erklärung weiter. Israel werde von nun an wieder mit zunehmender militärischer Stärke gegen die Hamas vorgehen. Ein hochrangiger Vertreter der Hamas beschuldigte Israel, die Waffenruhe-Vereinbarung einseitig aufgehoben zu haben und fügte hinzu, dass das Schicksal der 59 Israelis, die noch im Gazastreifen festgehalten würden, nun ungewiss sei. Es handelte sich um die heftigsten israelischen Angriffe seit Beginn der Waffenruhe am 19. Januar. Der palästinensische zivile Rettungsdienst sprach von mindestens 35 Luftangriffen.
Israel konsultierte USA vor neuen Angriffen
Israel habe die USA vor Beginn der neuen Angriffe auf den Gazastreifen konsultiert, bestätigte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, auf Nachfrage in einer Sendung des US-Nachrichtensenders Fox News. „Wie Präsident Trump deutlich gemacht hat, werden die Hamas, die Huthis, der Iran und all jene, die nicht nur Israel, sondern auch die Vereinigten Staaten von Amerika terrorisieren wollen, einen Preis zu zahlen haben“, so Leavitt. US-Präsident Donald Trump hatte zuvor der Hamas ein Ultimatum zur Übergabe aller restlichen festgehaltenen Israelis gesetzt und mit harten Konsequenzen gedroht, falls die palästinensische Widerstandsorganisation seiner Forderung nicht nachkommen sollte. Er hatte gesagt, die Hamas solle alle Israelis in Gaza übergeben oder „die Hölle wird losbrechen“. Die Angriffe hätten laut Washington angeblich Kommandeuren und Führungsmitglieder der Hamas sowie auf Infrastruktur der Gruppe gegolten. „Die Hamas hätte Geiseln freilassen können, um die Waffenruhe zu verlängern, hat sich aber stattdessen für Verweigerung und Krieg entschieden“, sagte ein weiterer Sprecher des Weißen Hauses, Brian Hughes.
In den vergangenen zwei Wochen hatte es immer wieder Gespräche über die Fortsetzung der Waffenruhe gegeben. Israel bestand jedoch darauf, die Gespräche nur unter bestimmten Bedingungen weiterführen zu wollen. Die Vermittler müssten auf einen US-Vorschlag zur Übergabe der festgehaltenen Israelis eingehen, teilte das Büro von Benjamin Netanjahu zu diesem Zeitpunkt mit. Verhandlungsteams aus Israel und von der Hamas hatten sich in Doha aufgehalten, während Vermittler aus Ägypten und Katar versuchten, die Kluft zwischen den beiden Seiten nach dem Ende der ersten Phase der Waffenruhe zu schließen. Mit Unterstützung der USA hatte Israel auf die Rückgabe der restlichen 59 Israelis gedrängt und im Gegenzug für eine längerfristige Waffenruhe angeboten.
Die Hamas hatte die Aufnahme von Verhandlungen über eine dauerhafte Beendigung des Krieges und einen vollständigen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen gefordert, wie es im ursprünglichen Waffenruhe-Abkommen vorgesehen war. Jede Seite hat der anderen jedoch fortlaufend vorgeworfen, die Bedingungen des Waffenruhe-Abkommens vom Januar nicht eingehalten zu haben. Israel hatte beispielsweise die Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen blockiert und bei zahlreichen Gelegenheiten mit der Wiederaufnahme der Angriffe gedroht, falls die Hamas sich nicht bereit erklärt, die von ihr noch festgehaltenen Israelis freizulassen.