Deutschland hat auf EU-Ebene für Verteidigungsinvestitionen offenbar eine längerfristige Ausnahme von den europäischen Schuldenregeln vorgeschlagen. Brüsseler Diplomaten sagten am Mittwoch übereinstimmend, mit diesem Vorschlag habe der deutsche Ständige Vertreter seine EU-Kollegen bei einem Treffen zur Vorbereitung des Sondergipfels am Donnerstag überrascht. Der Vorstoß wäre eine 180-Grad-Wende in der deutschen Position.
Nach Angaben von drei Diplomaten regte Deutschland an, den Mitgliedstaaten auch längerfristig milliardenschwere Rüstungsinvestitionen unter den Schuldenregeln zu ermöglichen. Der deutsche Vorstoß geht noch über Vorstellungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hinaus. Sie hatte den Staats- und Regierungschefs ebenfalls eine Lockerung der gemeinsamen Schuldenregeln vorgeschlagen - allerdings befristet auf vier Jahre.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt den Ländern eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und Gesamtschulden von maximal 60 Prozent des BIP. Nach der Corona-Pandemie hatten sich die EU-Länder nach zähen Verhandlungen 2023 auf mehr Flexibilität für die Mitgliedsländer geeinigt. Der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) drängte Länder wie Frankreich und Italien aber zugleich zur Konsolidierung ihrer maroden Staatsfinanzen.
Kritik an dem deutschen Vorstoß kam laut Diplomaten unter anderem von „sparsamen“ Ländern wie den Niederlanden und Schweden. Sie warnten vor einer völligen Aufweichung des Stabilitätspakts, wenn Verteidigungsausgaben grundsätzlich ausgenommen werden.
Der deutsche Vorstoß spiegelt auf europäischer Ebene, was die möglichen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD unter CDU-Chef Friedrich Merz auch national anstreben. Sie hatten in den Sondierungsgesprächen vereinbart, Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse auszunehmen.
Hintergrund ist die Abkehr der USA von den europäischen Verbündeten und der Ukraine und die Annäherung von US-Präsident Donald Trump an Russland.