Deutschland schafft sich ab – aber nicht so, wie Thilo Sarrazin behauptet. Nicht, weil es mehr Migranten und Flüchtlinge aufnimmt oder weil es mehr Muslime beherbergt, sondern weil es erneut in die Falle des Rechtsextremismus und Rassismus gerät. Doch betrifft dies nur Deutschland? Nein. Heute befinden sich Europa und der Westen insgesamt in einer politischen Krise, die ihre eigenen Grundwerte ablehnt und sich so selbst zerstört.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen internationalen Institutionen, die Menschenrechte, das Flüchtlingsrecht, der Multilateralismus und kollektive Sicherheitsbündnisse befinden sich in einer Abwärtsspirale. Der Grund dafür liegt insbesondere in der schrittweisen Normalisierung des Rechtsextremismus und seiner Etablierung im politischen Mainstream seit dem Ende des Kalten Krieges.
Diese Normalisierung des Rechtsextremismus wurde maßgeblich durch Islamfeindlichkeit und Islamangst vorangetrieben. In Europa und im Westen wurde die „muslimische Bedrohung“ bewusst in den Vordergrund gerückt. Medien, Eliten, die Wissenschaft und die Politik haben über Jahre hinweg Muslime problematisiert und sie als Sicherheitsrisiko dargestellt – und so das Wachstum des Rechtsextremismus gefördert.
Europas „neue Normalität“: Rechtsextremismus
Heute ist es normal geworden, dass die rechtsextreme und rassistische AfD in Deutschland 20,8 Prozent der Stimmen erhält, und niemand ist mehr überrascht. Ebenso ist es in den Niederlanden mit Geert Wilders, der den Islam verbieten will, in Frankreich mit Marine Le Pen oder in Österreich mit den erstarkenden Rechtsextremen – all das ist die „neue Normalität“ Europas.
Noch entscheidender ist, dass die westliche Führungsmacht, die USA, mit Donald Trump von einem rassistischen Politiker regiert wurde, der die Ideologie der weißen Vorherrschaft unterstützt. Diese Entwicklungen sind nicht zufällig entstanden – sie sind das Resultat politischer Entscheidungen westlicher Eliten.
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen, die der Ukraine-Krieg für Europa geschaffen hat, zeigen, dass Muslime, Flüchtlinge oder Migranten keineswegs die größten Probleme des Kontinents sind. Studien belegen, dass Deutschland auf Arbeitsmigranten angewiesen ist, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten.
Doch Populismus spricht nie die Vernunft an – er zielt auf Emotionen. Rechtspopulistische Politiker haben Ängste manipuliert und mit falschen Narrativen den öffentlichen Diskurs vergiftet. Der größte Fehler westlicher Medien, Intellektueller und Politiker war es, sich auf die Agenda der extremen Rechten einzulassen, deren Rhetorik zu übernehmen und sie damit weiter zu stärken.
Islamfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland
Auch Deutschland folgt diesem Muster. Friedrich Merz’ Vorstoß zur Verschärfung der Migrationspolitik vor den letzten Wahlen ist ein Beispiel dafür. In den kommenden Jahren werden Migranten, Flüchtlinge und Muslime in Deutschland mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert sein. Statistiken zeigen, dass Rassismus und Islamfeindlichkeit rapide zunehmen.
Im Jahr 2023 gab es in Deutschland einen drastischen Anstieg islamfeindlicher Angriffe. Laut offizieller Polizeistatistik wurden 1.464 islamfeindliche Straftaten registriert – eine Zunahme von 140 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert seit 2017.
Auch antisemitische und andere politisch motivierte Verbrechen erreichten 2023 ein Rekordniveau. Mit 60.028 Fällen waren diese Delikte so hoch wie seit 2001 nicht mehr.
Die anhaltend hohen Zahlen islamfeindlicher Übergriffe spiegeln sich in der öffentlichen Meinung wider. Der Religionsmonitor 2023 zeigt, dass 52 Prozent der Deutschen den Islam als Bedrohung empfinden. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) nennt Muslime und Schwarze als die am stärksten von Rassismus betroffenen Gruppen in Deutschland.
Laut dem Berlin Monitor finden 42 Prozent der Befragten, dass es in Deutschland „zu viele Muslime“ gibt – 2019 lag diese Zahl noch bei 29 Prozent. Viele islamfeindliche Vorfälle bleiben in der Öffentlichkeit unbeachtet, doch ein Vorfall am 7. Mai sorgte für große Empörung: Muslimische Schüler wurden auf einer Klassenfahrt rassistisch beleidigt und körperlich angegriffen. Sie mussten unter Polizeischutz nach Hause zurückkehren.
Islamfeindlichkeit in Europa explodiert – doch die wahre Gefahr lauert im Osten
Die Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) veröffentlichte den Bericht „Muslim sein in der EU – Erfahrungen von Muslimen“. Die Ergebnisse sind alarmierend: Fast die Hälfte aller Muslime in Europa (47 Prozent) hat Rassismus erlebt – 2016 waren es noch 39 Prozent. Deutschland ist dabei das Land mit der zweithöchsten Islamfeindlichkeit in Europa.
Doch weder Muslime noch Flüchtlinge oder Migranten sind das größte Problem Europas. Die eigentliche Bedrohung ist Russland, das aus dem Ukraine-Krieg gestärkt hervorgehen könnte. Ohne die Sicherheitsgarantien der USA wird sich Europa massiv aufrüsten müssen, was zu steigenden Militärausgaben und sozialen Kürzungen führen wird. Dies wiederum wird die extreme Rechte weiter stärken.
Brandmauer bröckelt – wie lange noch?
Deutschland verfolgt derzeit die Brandmauer-Strategie, um Bündnisse mit der AfD zu verhindern. Doch wie lange kann diese Brandmauer halten? Falls die AfD weiter an Zustimmung gewinnt und zur stärksten Partei wird, stellt sich die Frage, ob sie dauerhaft vom politischen System ausgeschlossen bleiben kann.
Ist dieser Trend noch umkehrbar? Ja – aber nur durch einen grundlegenden Wandel im politischen Denken. Die westlichen Medien, Intellektuellen und Politiker müssen ihre gewohnten Narrative hinterfragen und aufhören, Muslime, Migranten und Flüchtlinge zu dämonisieren und zu kriminalisieren.
Nur durch eine radikale Abkehr von der bisherigen Politik kann der Aufstieg der extremen Rechten gestoppt werden. Wenn die etablierten Parteien den Rechtsextremen weiterhin nachgeben oder ihre Rhetorik übernehmen, wird dies deren Legitimation nur weiter festigen. Die kommenden Jahre sind für Europa und den Westen die letzte Chance, den Kurs zu korrigieren – die letzte Ausfahrt vor der Katastrophe.