Bei Protesten in London gegen das Verbot der Aktivistengruppe „Palestine Action“ hat die Polizei nach eigenen Angaben fast 900 Menschen festgenommen. Die Metropolitan Police teilte am Sonntag mit, dass bei der Demonstration am Samstag insgesamt 890 Personen in Gewahrsam genommen wurden. Davon seien 857 nach dem britischen Terrorism Act wegen Unterstützung einer verbotenen Organisation festgenommen worden. 33 weitere Festnahmen erfolgten wegen anderer Delikte, darunter 17 wegen Angriffen auf Polizisten.
Nach Angaben der Organisatoren von „Defend Our Juries“ beteiligten sich rund 1.500 Menschen an der Aktion vor dem britischen Parlament. Die Demonstrierenden hielten demnach Schilder mit der Aufschrift „Nein zu Völkermord – Ja zu Palestine Action!“ hoch und starteten einen Sitzprotest. Augenzeugen berichten, dass die Polizei kurz nach Beginn der Protestaktion mit Festnahmen begann, während die Teilnehmer Parolen wie „Schande über euch!“ und „Met Police: Für Gerechtigkeit oder für Völkermord?“ riefen.
Seit dem Verbot der Aktivistengruppe vor zwei Monaten sind bereits fast 1.600 Menschen festgenommen worden, viele allein wegen des stillen Hochhaltens von Schildern mit Bezug zu „Palestine Action“. Über 700 Personen waren bei früheren Protesten verhaftet worden, 138 von ihnen wurden nach dem Terrorism Act angeklagt.
Ein blinder Demonstrant im Rollstuhl, der bereits im vergangenen Monat festgenommen worden war, nahm auch diesmal an der pro-palästinensischen Kundgebung teil. „Und ich bin ein Terrorist? Das ist doch lächerlich“, sagte er. „Natürlich werde ich zurückkommen. Welche Wahl habe ich?“
Kritik von UN und Menschenrechtsorganisationen
Die britische Regierung hatte „Palestine Action“ verboten und sich dabei auf den Terrorism Act von 2000 berufen. Damit ist bereits die öffentliche Unterstützung der Gruppe strafbar und kann mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden.
Kritiker sehen darin einen massiven Eingriff in die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Auch die Vereinten Nationen äußerten scharfe Kritik. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte, die Entscheidung „missbrauche die Schwere und Tragweite des Terrorismusbegriffs“ und schränke legitime Grundrechte im Vereinigten Königreich ein. Terrorakte seien nach internationalen Standards auf Straftaten wie Tötung, schwere Körperverletzung oder Geiselnahmen zu beschränken, so Türk.
„Palestine Action“ hat vor dem High Court das Recht erwirkt, das Verbot anzufechten. Die Regierung versucht, dieses Verfahren zu blockieren. Eine weitere Anhörung ist für den 25. September angesetzt.
Mitgründerin Huda Ammori sprach von einem „katastrophalen“ Einschnitt in die Bürgerrechte und warnte vor einem „abschreckenden Effekt“ auf die Meinungsfreiheit. Unterstützung erhielt die Bewegung auch von prominenten Kulturschaffenden, darunter die irische Bestsellerautorin Sally Rooney. Die Schriftstellerin erklärte, sie wolle Einnahmen aus ihren Büchern zur Unterstützung von „Palestine Action“ einsetzen.
Marsch mit 20.000 Teilnehmern
Parallel zum Sitzprotest fand am Samstag ein pro-palästinensischer Marsch durch das Londoner Zentrum statt. Nach Polizeiangaben nahmen rund 20.000 Menschen daran teil.