Mit einem landesweiten Streik haben am Sonntag tausende Israelis eine Einigung mit der palästinensischen Widerstandsorganisation Hamas gefordert, damit die im Gazastreifen verbliebenen Gefangenen freigelassen werden. Sie riefen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dazu auf, durch eine Einigung den Vernichtungskrieg im Gazastreifen zu beenden. Im ganzen Land blockierten Demonstranten Straßen und Autobahnen, darunter die Hauptverbindung zwischen Jerusalem und Tel Aviv. Bei Kundgebungen schwenkten sie israelische Flaggen und hielten Fotos von gefangenen Angehörigen in die Höhe. Die israelische Polizei teilte mit, bis zum Nachmittag seien 38 Demonstranten festgenommen worden. Einige Protestierende hätten sich Rangeleien mit Polizisten geliefert.
Netanjahu wies die Forderungen zurück. Wer ein Ende des Krieges fordere, ohne die „Hamas zu besiegen“, verzögere die Freilassung der Gefangenen in Gaza, behauptete er in der Kabinettssitzung. Der Ministerpräsident bekräftigte die Absicht, Gaza-Stadt im zentralen Gazastreifen einzunehmen. Dieser Plan löste weltweite Empörung aus. Auch viele Betroffene in Israel befürchten, eine Ausweitung der Militärinvasion könne das Leben der noch gefangenen Angehörigen gefährden.
Einige Unternehmen und private Einrichtungen hatten zuvor angekündigt, ihren Mitarbeitern die Teilnahme an dem Streik zu ermöglichen. Zu diesem hatten die Familien der Gefangenen aufgerufen. Der Sonntag ist in Israel ein normaler Arbeitstag. Dennoch schlossen einige Geschäfte, viele andere blieben jedoch geöffnet. Die Schulen waren wegen der Sommerferien nicht betroffen.
Israels Vernichtungskrieg in Gaza dauert seit fast zwei Jahren an. Auslöser war der Vergeltungsschlag der Hamas am 7. Oktober 2023. Verhandlungen über eine Waffenruhe, die zur Freilassung weiterer Geiseln hätte führen können, waren im Juli gescheitert. Die Hamas erklärte, sie werde die verbleibenden Israelis nur freilassen, wenn Israel den Krieg beende. Netanjahu schwor jedoch, die „Hamas zu vernichten“.
Von den 50 Israelis, die noch im Gazastreifen festgehalten werden, sind nach israelischen Angaben etwa 20 noch am Leben. Nach Angaben der Hamas wurden mehrere Gefangene bei Angriffen Israels getötet. Israel führt seit Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza, der von immer mehr Menschen als Völkermord eingestuft wird. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden in Gaza bislang mehr als 61.940 Menschen von Israel getötet, die meisten davon Frauen und Minderjährige. Demnach wurden mindestens 155.880 Menschen verletzt.
Laut Schätzungen von Experten der UN dürfte die tatsächliche Zahl der getöteten Palästinenser bis zu 200.000 betragen. Denn zahlreiche Menschen werden vermisst oder liegen unter den Trümmern eingestürzter Häuser und können nicht geborgen werden.