Wegen Israels Vernichtungskrieg in Gaza setzt die EU-Kommission ihre Unterstützung für das Land aus. Man werde alle entsprechenden Zahlungen stoppen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg. Es solle allerdings keine Auswirkungen für die Arbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft oder der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geben.
Darüber hinaus kündigte von der Leyen an, den Mitgliedsländern Vorschläge für Sanktionen gegen extremistische Minister und gegen gewalttätige Siedler zu unterbreiten. Auch wolle man den Mitgliedstaaten empfehlen, in einem Partnerschaftsabkommen enthaltene Handelsvereinbarungen auszusetzen.
„Mir ist bewusst, dass es schwierig werden wird, Mehrheiten dafür zu finden“, sagte von der Leyen in ihrer ersten Rede zur Lage der EU in ihrer zweiten Amtszeit. Für manche Staaten gehe jede dieser Maßnahmen zu weit und für andere nicht weit genug. „Doch wir alle müssen unserer Verantwortung gerecht werden – Parlament, Rat und Kommission.“
EU-Länder im Umgang mit Israel uneinig
Die EU ist im Umgang mit Israel tief gespalten. Auf vorgeschlagene Maßnahmen der Brüsseler Behörde konnten sich die Mitgliedsländer bislang nicht verständigen. So hatte die Kommission Ende Juli vorgeschlagen, die Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe einzustellen. Damit soll der Druck auf das Land erhöht werden, damit es eine angemessene humanitäre Versorgung der hungernden Menschen im abgeriegelten Gazastreifen zulässt. Israelischen Unternehmen könnten durch die Strafmaßnahme den Zugang zu Zuschüssen in Millionenhöhe verlieren.
Zur Begründung heißt es, Israel verstoße mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Damit werde ein wesentliches Prinzip der Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden Assoziierungsabkommens verletzt.
Berlin will EU-Israel-Sanktionen nicht zustimmen
Unter anderem Deutschland spricht sich dagegen aus und will den Sanktionen nicht zustimmen. Andere Länder wie beispielsweise Spanien äußerten deutliches Unverständnis über die Ablehnung des Kommissionsvorschlages. Ob der Sanktionsvorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob er im Rat der Mitgliedstaaten die Unterstützung einer sogenannten qualifizierten Mehrheit bekommt.
Konkret müssten dafür 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden Mitgliedstaaten repräsentieren. Zuletzt fehlte lediglich noch die Unterstützung von Deutschland oder Italien. Alle anderen großen EU-Staaten und viele kleinere sind für die Strafmaßnahme.
Bilaterale Kooperation
Zum Umfang der Mittel, die eingefroren werden sollen, sagte von der Leyen zunächst nichts. Aus der EU fließen Kommissionsangaben zufolge unter anderem Mittel aus einem Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit nach Israel. Mit durchschnittlich 1,8 Millionen Euro pro Jahr will die EU demnach die Annäherung israelischer Normen und Standards in der öffentlichen Verwaltung an jene der EU unterstützen.
Auch israelische Organisationen der Zivilgesellschaft sind von der EU förderfähig. Im Jahr 2020 wurden nach Angaben der EU-Kommission etwa Projekte im Gesamtwert von 1,2 Millionen Euro finanziert.
Von der Leyen kündigte weiterhin an, im Oktober eine Gebergruppe für Palästina ins Leben zu rufen und dabei auch ein Instrument für den Wiederaufbau des Gazastreifens zu schaffen. „Dabei handelt es sich um internationale Bemühungen in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Region“, sagte sie.
Israels Vernichtungskrieg in Gaza
Israel führt seit Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza, der von immer mehr Experten und Menschenrechtsorganisationen als Völkermord eingestuft wird. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums tötete Israel bisher mehr als 64.600 Menschen in Gaza, die meisten davon Frauen und Minderjährige. Demnach wurden mindestens 163.319 Menschen verletzt.
Laut Schätzungen von Experten der UN dürfte die tatsächliche Zahl der getöteten Palästinenser bis zu 200.000 betragen. Denn zahlreiche Menschen werden vermisst oder liegen unter den Trümmern eingestürzter Häuser und können nicht geborgen werden.
Nach palästinensischen Angaben starben bisher mindestens 387 Menschen in Gaza an Hunger und Mangelernährung – davon 138 Minderjährige. Denn Israel behindert weiterhin Hilfsorganisationen bei der Einfuhr von Lebensmitteln. Auch die Trinkwasserversorgung ist größtenteils zusammengebrochen.
Der Einsatz von Hunger als Kriegswaffe verstößt gegen das Völkerrecht und gilt als Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit.