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Deutsche Staatsräson als Deckmantel für Mitverantwortung am Genozid
Deutschlands Kurs isoliert das Land international – und offenbart eine Außenpolitik, die von kolonialen Kontinuitäten, wirtschaftlichen Interessen und anti-palästinensischem Rassismus geprägt ist.
Deutsche Staatsräson als Deckmantel für Mitverantwortung am Genozid
Foto: Leo Correa/AP via dpa
16. August 2025

Deutsche Polizisten greifen auf aggressive Weise Demonstrantinnen an, die gegen den Völkermord in Gaza protestieren. Viele solcher Aufnahmen gehen dieser Tage um die Welt. Sie zeigen eine brutale Staatsgewalt, die international das Ansehen Deutschlands weiter verschlechtert, im Inland jedoch auf wenig Kritik stößt. Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit haben international Sorgen erregt und wurden von Menschenrechtsorganisationen und dem Europarat kritisiert. Doch wie beeinflusst Deutschlands politische und militärische Unterstützung für das israelische Regime den Ruf des Landes im internationalen System?

Deutschlands Staatsräson in Gaza

Die entsetzliche Katastrophe in Gaza verschlimmert sich weiterhin, während das israelische Regime die verhungernde Bevölkerung konstant bombardiert. Die unaussprechliche Gewalt gegen das palästinensische Volk wird auch durch die sogenannte deutsche Staatsräson gefördert. Aufgrund der nahezu bedingungslosen Unterstützung für das israelische Regime ist Deutschland signifikant an diesem Völkermord beteiligt.

Die Marginalisierung und Entmenschlichung von Palästinenserinnen und anderen Opfern israelischer Gewalt ist in Deutschland nichts Neues. Anti-palästinensischer Rassismus scheint in Deutschland nicht nur erklärte Staatspolitik, sondern vielmehr auch tief mit der nationalen Identität verbunden zu sein, da die Gräueltaten in Gaza regelmäßig als Israels sogenanntes „Recht auf Selbstverteidigung“ gerechtfertigt werden und Israels „Sicherheit“ als Teil der deutschen Staatsräson geschützt wird.

Dabei wird im dominanten Diskurs zionistischer Siedlerkolonialismus oftmals mit jüdischem Leben gleichgesetzt und Dissens gegen den Völkermord als radikale Gefahr präsentiert, oft auch als Islamismus oder „Terrorismus“. Die Repressionen der deutschen Regierung, welcher auch der Verein Jüdischen Stimme für den Frieden in Deutschland ausgesetzt ist, haben einen „erschreckenden“ Punkt erreicht. Vorstandsmitglied Iris Hefets kritisierte die Polizeigewalt auch gegen Juden und erzählte, dass es nun öffentlich erlaubt sei, zu sagen, dass Juden Antisemiten seien.

Internationale Dimension

International ist Deutschland mit seiner Haltung eher isoliert. Neben den Vereinigten Staaten ist die Merz-Regierung Israels eifrigster politischer und militärischer Unterstützer. Während in anderen EU-Ländern, wenn auch eher langsam, kritische Stimmen laut werden, repräsentiert Deutschland auch innerhalb der EU eine kleine, aber machtvolle und eigenwillige Minderheit. Vor allem aufgrund der anhaltenden Massendemonstrationen in europäischen Städten und breiten Protesten aus der Zivilgesellschaft, haben einige EU-Mitglieder kürzlich ihre Kritik an Israel zumindest verbal etwas verschärft. Slowenien hat, als erster EU-Staat, konkrete Maßnahmen eingeleitet. Selbst minimale, innerhalb der EU diskutierte, Maßnahmen, die eher spät kommen und immer noch nicht weitreichend genug erscheinen, um das Leid der Bevölkerung in Gaza zu verringern, stoßen auf deutsche Opposition. Stattdessen zielt Deutschlands Außenpolitik darauf aus, Israel vor Konsequenzen zu schützen.

Mittlerweile wird auch im Inland die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Meinung und dem Handeln der Merz-Regierung deutlicher. Trotz der omnipräsenten Propaganda und vorherrschenden pro-israelischen Narrative im deutschen politischen und Medien-Diskurs, und trotz der Marginalisierung von Stimmen, die sich gegen den Völkermord äußern, sprechen sich immer mehr Deutsche gegen die Politik Israels und der Bundesregierung aus. Laut aktuellen Umfragen, ist die Mehrheit der Deutschen mit dem Vorgehen der Merz-Regierung unzufrieden und fordert eine strengere Haltung gegenüber dem israelischen Regime. Die breite Mehrheit ist gegen die Lieferung von Waffen an Israel, die in Gaza benutzt werden könnten.

Keine Konsequenzen für Deutschland

Trotz Deutschlands ununterbrochenem Mitwirken am Genozid, ist es unwahrscheinlich, dass Berlin mit Konsequenzen zu rechnen hat. Deutschlands einflussreiche Position in der internationalen Gemeinschaft basiert hauptsächlich auf der wirtschaftlichen Macht des Landes, aber auch auf der engen Zusammenarbeit mit und Loyalität den Vereinigten Staaten gegenüber.

An seiner Rolle im Nahen Osten muss Deutschland nicht zweifeln. Die breite Mehrheit arabischer Regime im westlichen Asien unterhält weiterhin, explizit oder implizit, Beziehungen mit Israel und greift nicht in den Völkermord ein. Ägypten spielt selbst eine Rolle in der Blockade Gazas.

Die Frage von Verantwortung und Rechenschaft geht jedoch weit über Deutschland hinaus. In Zeiten, in denen ein Genozid live gestreamt wird und das Völkerrecht tagtäglich, ohne Konsequenzen, verletzt wird, hat sich die so-genannte internationale Gemeinschaft als ineffizient und machtlos erwiesen. Dass es keinen internationalen Mechanismus gibt, der effektiv in diesen Genozid intervenieren kann, liegt vor allem an der globalen Machtverteilung. Die andauernde Hegemonie der Vereinigten Staaten ermöglicht die Katastrophe in Gaza und schützt gleichzeitig das Netanjahu-Regime vor jeglichen Konsequenzen. Auch Deutschland spielt in dieser Konstellation eine zentrale Rolle.

Deutschlands Position in der Welt

Deutschlands weitreichende Unterstützung für das Netanjahu-Regime ist nicht auf Palästina beschränkt. Auch Israels Kriege gegen den Libanon und Iran haben eine enthusiastische Unterstützung aus Berlin erhalten. Es gibt hier keinen Unterschied zwischen der letzten und der aktuellen Bundesregierung. Als Israel im Juni den Iran angriff, sprach Merz der israelischen Arme den größten Respekt aus und betonte, dass Israel die „Drecksarbeit“ für den Westen erledigen würde.

Tatsächlich lässt sich die israelische Politik nicht von der westlichen, europäischen oder amerikanischen separieren. Es geht hier nicht um Gerechtigkeit oder die von der EU unaufhörlich proklamierten Werte von angeblichen Menschenrechten und Demokratie, sondern um wirtschaftliche Interessen, militärische Profite und die Stärkung der Rüstungsindustrie.

Deutschlands deutliche Positionierung im Völkermord in Gaza ist deswegen nicht überraschend. In der Tat ist Deutschlands Ausblick auf die Welt von rassistischen und wirtschaftlichen Interessen geprägt. Deutschlands aggressive anti-palästinensische Politik ist keine Ausnahme. Wie auch Deutschlands Kolonialverbrechen, der Völkermord in Namibia, oder auch Deutschlands Unterstützung des brutalen Apartheid-Regimes in Südafrika und rassistischer Systeme anderswo – die innerhalb Deutschlands im öffentlichen Diskurs nie ausreichend Beachtung fanden – so unterstützt Deutschlands Mitwirken im Völkermord in Palästina das eigene Selbstbild als „zivilisierte“ und „moralisch überlegene“ westliche Nation. Palästinenser, Libanesen, Iraner und andere Opfer israelischer Gewalt werden nie als menschlich genug angesehen. Deren Ermordung ist durch die „Terrorismus“-Narrative immer bereits im Voraus gerechtfertigt, wird politisch als Selbstverteidigung, oder gar als lobenswerte Tat zur Verteidigung sogenannter westlicher und europäischer Werte gepriesen.

Deutschlands entschiedene Beteiligung am Völkermord in Gaza und die Repressionen gegen Dissens im Inland mögen vielleicht das Ansehen Deutschlands unter den Massen weltweit schwächen, doch in der heutigen Zeit eines andauernden Genozids und einer unfähigen und schwachen internationalen Gemeinschaft, muss Deutschland bislang nicht um sein Ansehen unter den politischen Entscheidungsträgern in der Welt fürchten.

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